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Abschnitt B. Capitel VIII.
gende Molecüle von identischer Schwingungsform eine Empfin¬
dung hervorbringen, welche jeder durch ein Einzelnes dieser
Molecüle erregten Empfindung qualitativ gleich ist, quanti¬
tativ aber den Stärkegrad der Summe aller einzelnen Em¬
pfindungen besitzt. Wenn man mit Einem Nasenloch riecht, so
hat man dieselbe Empfindung, nur schwächer, als wenn man mit
beiden riecht, und wenn nicht die Tastnerven der Nase den
durchziehenden Luftstrom fühlten, würde der Riechnerv allein
den Geruch des linken und rechten Nasenloches im normalen
Zustande nicht als verschieden wahrnehmen. Dasselbe gilt für
den Geschmack, wenn er einen kleineren oder grösseren Theil
der Zunge und des Gaumens afficirt; nur die gleichzeitigen
Tastgefühle der Berührung, des Zusammenziehens der Haut
u. s. w. unterscheiden die Berührungsstelle, der Geschmack selbst
wird nur stärker oder schwächer. Ob ein Ton das linke oder
rechte Ohr trifft, wird nur durch die gleichzeitig im Ohre theils
direct, theils reflectorisch erregten Spannungsgefühle erkannt ; es
ist auch hier gar nicht der Hörnerv, sondern Tastnerven vor¬
zugsweise in dem reich durchsetzten Trommelfelle, welche das
Localisationsgeftihl bedingen, wie deutlich daraus hervorgeht,
dass man nach Ed. Weber1 s Versuchen dieses Localgefühl beim
Untertauchen unter Wasser nur behält, so lange die Gehörgänge
mit Luft gefüllt bleiben, aber verliert, wenn durch Anfüllung der
Gehörgänge mit Wasser die Trommelfelle ausser Wirksamkeit
gesetzt sind. Beim Sehen hat man von demselben Lichtpuncte
zwar verschiedene Eindrücke, wenn sein Bild verschieden gele¬
gene Stellen eines oder beider Augen trifft, aber nicht zu unter¬
scheiden sind die Eindrücke, wenn sie auf correspondirende Stellen
beider Augen fallen. Man weiss bei einem geschickt hergerich¬
teten Arrangement des Versuches schlechterdings nicht, ob man
ein Licht mit dem rechten, oder mit dem linken, oder mit beiden
Augen zugleich sieht, wenn man sich nicht durch anderweitige
Hülfsmittel darüber orientiren kann. Die Gesichtseindrücke corre-
spondirender Stellen beider Augen combiniren sich zu einem ein¬
fachen verstärkten Eindrücke.
Nach Lotze’s Ansicht würden wir geradezu nicht zu unter¬
scheiden im Stande sein, ob ein Schmerz, Gefühl, Berührung
u. s. w. unsere rechte oder linke Körperhälfte trifft, wenn nicht
durch die bis in’s Kleinste gehenden Asymmetrien beider Körper¬
hälften mit der nämlichen Empfindung in der rechten Körperhälfte