1. Der Einfluss des bewussten Willens auf organische Functionen. 151
hältnissmässig weniger, vom grossen Gehirn kommender Fasern
veranlasst werden, so dass der erste Bewegungsimpuls sieh auf
die centralen Endigungen dieser Fasern im grossen Gehirn be¬
ziehen muss. Es kann wohl sein, dass mehrere solcher Reflex¬
wirkungen in verschiedenen mehr und mehr vom Gehirn entfernten
Nervencentris eintreten, ehe eine complicirte Bewegung ausge¬
führt wird, dass z. B. beim Gehen zuerst einige wenige Fasern
den Impuls vom grossen Gehirn, wo der bewusste Wille, zu
gehen, entsteht, an das kleine Gehirn überbringen, welches
Organ die Coordination der grösseren Bewegungsgruppen leiten
soll, dass dann von hier eine grössere Anzahl Fasern die Im¬
pulse an verschiedene Centra des Rückenmarkes übertragen,
und zuletzt an die Stellen, wo die Schenkelnerven sich einsetzen.
Bei einem jeden solchen Reflexe spricht das unbewusste Wollen
und Vorstellen im specifischen Bewegungsinstinct des betreffenden
Centrums mit, und so wird es erklärlich, wie so complicirte
Bewegungen ohne irgend welche geistige Anstrengung zweck¬
mässig und ordnungsmässig verlaufen. In jedem Centrum wird
der Impuls als Reiz empfanden und in einen neuen Impuls um¬
gesetzt, so dass wir im strengsten Sinne erst vom letzten
Centrum an vom motorischen Innervationsstrom sprechen dürfen
Es fyagt sich nun, wie der Wille im Stande ist, den Inner¬
vationsstrom zu erzeugen. Wir können uns dabei nur an die
Analogien der verwandten physikalisch bekannteren Ströme und
an die apriorische Vermuthung halten, dass der ganze Apparat
des motorischen Nervensystems doch wohl zu dem Zweck in den
Organismus eingeschaltet sein müsse, dass dem Willen dadurch
ermöglicht werde, die nöthigen mechanischen Leistungen durch
die möglichst kleinste mechanische Kraftanstrengung hervorzu¬
bringen, mit anderen Worten, dass das motorische Nervensystem
eine Kraftmaschine sei, wie die Winde, oder in passenderem
Vergleich, wie das mauerzertrümmernde Geschütz, welches der
Mensch nur abzufeuern braucht. Mechanische Bewegung ohne
mechanische Kraft hervorzubringen, das ist unmöglich, aber die
die Bewegung einleitende Kraft kann auf ein Minimum reducirt
werden, und der übrige Theil der Leistung Kräften übertragen
werden, welche vorher zum Gebrauche aufgespeichert sind. Dies
ist beim Geschütz die chemische Kraft des Pulvers, beim Thier
die der eingenommenen Nahrungsmittel, welche daher auch zu
den Leistungen der Muskelkraft im Verhältnis stehen müssen,