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Abschnitt A. Capitel V.
Eine der wichtigsten Reflexwirkungen des grossen Gehirns,
namentlich auf Sinnes Wahrnehmungen, ist derjenige centrifugate
Innervationsstrom, welchen wir Aufmerksamkeit nennen, und
welcher alle einigermaassen deutliche Wahrnehmungen erst er¬
möglicht. Derselbe entsteht als Reflexwirkung auf einen Reiz,
welcher die sensiblen Nerven der Sinnesorgane trifft. Wenn
das Gehirn anderweitig zu sehr in Anspruch genommen ist, um
auf solche Reize zu reagiren, so bleibt diese Wirkung aus, und
alsdann ist uns der Sinneseindruck entgangen, ohne zur Wahr¬
nehmung zu werden. Dieser Innervationsstrom kann auf einzelne
Theile einer Sinneswahrnehmung (z. B. einen beliebigen Theil
des Gesichtsfeldes oder ein Instrument im Orchester) gerichtet
werden, wodurch sich erklärt, dass man oft gerade nur das
sieht und hört, was ein besonderes Interesse für den gegenwär¬
tigen Zustand des Gehirns hat, womit auch manche Erschei¬
nungen des Nachtwandeins Zusammenhängen. Das partielle Feh¬
len dieses Innervationsstroms ist es auch, was den sonst uner¬
klärlichen Unterschied zwischen fehlenden und schwarzen
Stellen des Sehfeldes begreiflich macht. Auch willkürlich kann
man diesen Innervationsstrom auf gewisse Körpertheile richten
und dadurch die für gewöhnlich nicht bemerkten Empfindungen,
welche alle Körpertheile fortwährend erzeugen, als Wahrneh¬
mungen zum Bewusstsein bringen ; z. B. ich kann meine Finger¬
spitzen fühlen, wenn ich auf sie lebhaft achte ; (man denke fer¬
ner an Hypochondrische). Eine Grenze zwischen solchen Inner¬
vationsströmen, die durch bewusste Willkür erzeugt sind, und
solchen, die als Reflexwirkung auf Sinneseindrücke mit einseitig
vorwiegendem Interesse der Gehirnstimmung erfolgen, lässt sich
hier so wenig wie in irgend einem anderen Gebiete dieser Er¬
scheinungen auffinden und fixiren. Sehr merkwürdig sind
manche durch das Auge und den Tastsinn vermittelte Reflexbe¬
wegungen. Das Auge schützt nicht nur sich selbst reflectiv vor
Verletzungen, welche es herannahen sieht, durch Schliessen,
Ausbiegen des Kopfes und des Körpers, oder Vorhalten des Ar¬
mes, sondern es schützt auch andere bedrohte Körpertheile auf
dieselbe Weise, ja sogar andere Dinge; z. B. wenn ein Glas von
dem Tisch herunterfällt, vor dem man sitzt, so ist das plötzliche
Zugreifen gerade so gut Reflexbewegung, wie das Ausbiegen des
Kopfes vor einem heranfliegenden Stein, oder das Pariren der
Hiebe beim Fechten; denn im einen wie im anderen Falle würde