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Hermann Gutzmann.
Fast noch schwerer wie bei den motorisch Aphasischen sind
die Affektstörungen bei den sensorisch Aphasischen, und
zwar besonders dann, wenn die Umgebung sich durchaus nicht
in das eigentümliche Bild des scheinbar geistig Gestörten hinein¬
finden kann. Da der sensorisch Aphasische sich fortwährend ver¬
spricht, an Stelle der gewollten Worte fortwährend andere bringt,
an Stelle der gewollten Laute andere einsetzt und Worte bildet,
die völlig unverständlich sind, zum Teil aber auch seine Fehler
einsieht und nun in der Verbesserung nicht bloß die Sache nicht
besser macht, sondern neue Wortverstümmelungen zutage fördert,
so kann man es den Laien der Umgebung nicht verdenken, wenn
sie ungeduldig werden und diese Ungeduld in Worten, Gebärden
und Handlungen auch zum Ausdruck bringen, die den sensorisch
Aphasischen verletzen müssen. Nach dem oben Auseinanderge¬
setzten kann es nun nicht wundernehmen, daß in dem eintretenden,
vom der Sprachstörung selbst hervorgerufenen Affekt wieder eine
Quelle des schlechteren Sprechens liegt, und daß der Sensorisch-
Aphasische dann erst recht nicht zur sprachlichen Äußerung
gelangt, wenn er in depressive Erregung gerät. Ausnahmen von
dieser Kegel habe ich oben bereits erwähnt.
Wenn wir also hier den depressiven Affekt als Folgeerscheinung
des Sprachfehlers und den erhöhten Sprachfehler wieder als Folge¬
erscheinung dieser Depression erblicken, so sehen wir eine fort¬
während sich abwickelnde „Spira vitiosa“. Nun stehen aber bei
einigen Sprachstörungen die gemütlichen Erscheinungen so außer¬
ordentlich im Vordergründe, daß man ihre sekundäre Natur vergißt
und sie nicht mehr als Folge des Sprachfehlers ansieht, sondern
als Ursache desselben. Ich sehe natürlich hier ab von den eigent¬
lich primär-thymogenen Sprachstörungen, die wir bei der Hy¬
sterie aber auch bei den Gemütsstörungen der Geisteskranken
finden, sowohl bei der Hypothymie wie bei der Hyperthymie. Denn
hier kann es sich gar nicht um einen Zweifel darüber handeln, daß
die gemütliche Störung das Primäre ist.
Zu denjenigen Sprachstörungen bei denen das thymogene Mo¬
ment das Primäre zu sein scheint, gehört vor allem das Stot¬
tern. Freilich nicht alle Fälle des Stotterns können in diesem
Sinne als eine thymogene Sprachstörung angesehen werden. Man
findet zahlreiche Stotterer in den Schulen, die gerade dann, wenn
alle Ursache vorhanden wäre, daß durch die thymische Erregung
das Stottern sich verstärkte, ausgezeichnet sprechen. Es gibt auch