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Otto Klemm.
tiefen sich die theoretischen Betrachtungen Stewarts (1911, 192).
Unter der Annahme, daß der Kopf eine starre Kugel ist und die
Ohren diametral gegenüberliegen, erreicht die scheinbare Intensität
einer Schallquelle ihr Maximum, wenn das Ohr, ihr Minimum, wenn
das Gesicht ihr zugewendet ist. Die Differenz zwischen diesen
Extremen ist um so größer, je näher die Schallquelle liegt. Sie
ist ferner am geringsten bei tiefen Tönen, nimmt mit abnehmender
Wellenlänge zu und von X — 30 cm an wieder ab. Bei einer
Distanz von 411 cm z. B. ist die Intensität (= Summe der Stärke
in den beiden Ohren) für X = 240 cm bei zugewandtem Ohr oder
Gesicht fast gleich, für X — 60 cm dagegen beträgt das Minimum
0,6 der vollen Intensität. Diese Ergebnisse sollen beweisen, daß
bei der binauralen Bichtungserkennung nicht die Differenz oder
das Verhältnis der Intensitäten, sondern ihre Summe der entschei¬
dende Faktor ist (1912, 111). Die Lokalisation in der Medianebene
ist nämlich, wie Stewart für experimentell erwiesen hält, bei
X = 60 cm am genauesten. Dies aber fordert nach seiner Ableitung
die Theorie der Summe. Es ist nicht unseres Amtes, die physikalischen
Voraussetzungen und Ableitungen Stewarts nachzuprüfen: wohl
aber ist das Bedenken zu erheben, daß sich diese Theorie in ihren
Forderungen an die psychologischen Grundlagen der Richtungs¬
auffassung ausschließlich von den physikalischen Ergebnissen leiten
läßt. Die Zusammensetzung der Gesamtintensität aus den Einzel¬
intensitäten der beiden Ohren ist durchaus nicht so selbstverständ¬
lich, wie sie auf den ersten Blick erscheinen möchte. Außerdem
könnten sich die 'Verschiedenheiten der Gesamtintensität je nach
der Schallrichtung, wenn sie wirklich so groß wären, wie in dem
oben mitgeteilten Beispiel, der gewöhnlichen Beobachtung kaum
entziehen. Auch dies spricht gegen die Theorie der Summe. In¬
teressant aber ist auf jeden Fall der Nachweis, daß das Maximum
der Intensität bei Tönen einer mittleren Wellenlänge am deutlichsten
ausgeprägt ist. Hier stellt sich sofort die Beziehung zu der Ver¬
schiedenheit der Richtungsschwelle für Töne verschiedener Höhe
ein. Die Abhängigkeit des Maximums von der Entfernung hat
vielleicht ihre Bedeutung für die Entfernungsauffassung — in dieser
Vermutung aber gehe ich über die Stewartsche Theorie selbst
hinaus.
Auch bei der Auffassung der Entfernung spricht man von
einer Intensitätstheorie. Überall stoßen wir auf die Ansicht, daß
die Auffassung der Entfernung von der Intensität abhängig sei, bei