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Otto Klemm.
Erkennung einer vollständigen einseitigen Taubheit berechtigt zur
Anerkennung eines1 solchen Falls. Ich habe nun von einer Reihe
pathologischer Fälle zu berichten, bei denen wir nicht überall er¬
fahren, ob und wie der Nachweis der einseitigen Taubheit erbracht
worden ist. Die Verantwortung ist den Autoren selbst zu über¬
lassen. Die ersten Mitteilungen über monotisehe Schallokalisation
habe ich bei Rayleigh gefunden (1882, 31). Ein einseitig Tauber
verwechselte sehr häufig den Ausgangspunkt von Stimmen und
Händeklatschen, besonders innerhalb der Medianebene. Gesteigert
war die Unsicherheit bei reinen musikalischen Tönen. Aber ins¬
gesamt waren doch die richtigen Lokalisationen häufiger, als wenn
sie dem bloßen Zufall zu verdanken gewesen wären. Titchener
(1891, 46) fand die Lokalisationen eines einseitig Tauben in allen
wesentlichen Zügen denen zweier normalen ähnlich; nur urteilte
jener häufiger auf Grund der Stärke des Schalleindrucks. Auf
mehrere pathologische Fälle erstrecken sich die Beobachtungen
Angells und Fites (1901, 66). die sich durch die genaue Mit¬
teilung der klinischen Vorgeschichte auch vor dem Blick des Skep¬
tikers als einwandsfrei ausweisen. In einem Fall (gutes Gehör des
gesunden Ohres) blieb die Lokalisationsfähigkeit hinter der normalen
nicht sehr zurück. Vorn und hinten wurde sogar besser unter¬
schieden. Straffes Umbinden mit einem Tuche, welches das Ohr
freiließ, störte die Lokalisation nicht. Ausfüllung der Ohrmuschel
bewirkte nur, daß vorn nach hinten verlegt wurde. Sehr stark aber
war die Abhängigkeit der Lokalisation von der Schallqualität. Ein¬
fachere Schalleindrücke wurden viel schlechter lokalisiert als kom¬
plexe, besonders schlecht die hohe Galtonpfeife, reine Töne gar
nicht. Diese Erfahrungen bestätigten sich in vier anderen Fällen
monotischen Hörens. Es näherte sich aber die Lokalisationsschärfe
um. so mehr der normalen, je länger die Ertaubung zurücklag. Die
relativen Fehler bei 26—30 Jahre bestehender Taubheit verhielten
sich zu denen bei 1 jähriger wie 27 zu 63,2. Bei ergänzenden
Lokalisationsversuchen im Freien konnten Richtungs- und Ent¬
fernungsänderungen voneinander unterschieden werden. In einem
von Pierce (67) nach Aussage des Patienten mitgeteilten Fall
waren sogar weder unmittelbar nach dem Verlust des einen Gehör¬
organs noch zur Zeit der Befragung Anomalien der Schallokalisa¬
tion vorhanden. Bei der von Münnich (100) geprüften völligen
einseitigen Taubheit war zwar das Lokalisationsvermögen etwas ge¬
mindert, aber doch im ganzen auffallend gut erhalten. In eigener