Die zeichnende Kunst des Kindes.
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b. Entwicklungsstufen der zeichnenden Kunst des Kindes.
Die Reihenfolge, in der die Objekte der Umgebung in den
Zeichnungen des Kindes auftreten, läßt nun zunächst deutlich drei
Entwicklungsstufen unterscheiden, in denen unmittelbar die allmäh¬
liche Erweiterung des Umfangs der Aufmerksamkeit sich ausspricht.
Auf der ersten Stufe ist der Mensch das ausschließliche Objekt
der kindlichen Zeichnungen. Auf der zweiten tritt dazu das Tier,
zunächst in Gestalt der bekannteren Haustiere, Hund, Katze, Pferd,
Rind. Auf der dritten kommt dazu die weitere Umgebung,
Bäume, Blumen, Häuser, Tische, Stühle u. a. Diese drei Stadien
gehen vor allem in dem Sinne stetig ineinander über, als jedes¬
mal die Objekte der vorangehenden Stufen zunächst in einer nach¬
folgenden immer noch die Hauptobjekte sind, neben denen die
neuen eine untergeordnete Staffage zu bilden pflegen und als solche
meist auch dadurch gekennzeichnet sind, daß sie in geringerer
Größe dargestellt werden. So überragt, wenn Menschen und Tiere
nebeneinander stehen, der Mensch in der Regel das Tier, mag das
auch noch so sehr dem wirklichen Größenverhältnis widersprechen.
Noch mehr aber ragen Menschen und Tiere meist über Bäume und
Häuser empor, wenn diese zusammen mit jenen auftreten. Wie alle
Objekte in bloßen Umrissen, ohne Schattierung noch bis in die
späteren Zeiten dieser kindlichen Kunstleistungen wiedergegeben
werden, so fehlt übrigens auch durchaus die Rücksicht auf Perspek¬
tive. Was in verschiedener Entfernung liegt, erscheint übereinander,
und dabei nicht selten in umgekehrter Perspektive, das Fernere
größer als das Nahe.
Innerhalb der erwähnten drei Hauptstadien lassen sich nun weiter¬
hin noch verschiedene Unterstufen unterscheiden, die durchweg
wieder dem gleichen Prinzip der Hervorhebung des von der Auf¬
merksamkeit Bevorzugten, zuerst durch alleinige Wiedergabe, dann
durch bedeutendere Größe, zu folgen pflegen. Besonders deutlich
prägen diese Stufen in der Darstellung des Menschen sich aus.
In der ersten Zeit, in der der Mensch das einzige Objekt kindlicher
Kunst ist, geht diese über das Bild des einzelnen Menschen nicht
hinaus. Zunächst ist es sogar bloß der Kopf, der als ein annähernd
kreisförmiger, manchmal auch eckiger Umriß gezeichnet wird. In
Wandt, Völkerpsychologie U. x. 6