Die Zeitphantasie.
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sehr, daß wir uns unmittelbar in sie versetzt glauben. Hier ist die
Einfühlung auf ihrer Höhe, und das Objekt ist beinahe vollkommen
das Werk unserer Phantasie, — denn was bedeuten die dürftigen Um¬
risse, die jene gewaltige Vorstellung auslösen? Gerade darum aber
gehen wir selbst völlig in diesem Objekt auf, wir schweben mit ihm
und in ihm in die Weite und kehren aus dieser wieder zu unserem
eigenen Standort zurück.
2. Die Zeitphantasie.
tu Subjektive Taktformen.
Wie die Raumphantasie den Sehraum und vermöge der vor¬
herrschenden Bedeutung des Gesichtssinnes die Anschauungswelt des
Menschen überhaupt beherrscht, so wird die Zeitphantasie in erster
Linie durch Schall und Klang wirksam. Die eigene Bewegung, die
Wer so wenig wie bei der Raumphantasie fehlen kann, gewinnt ihre
Macht zumeist erst durch die festen Assoziationen, durch die sie mit
den Eindrücken des Gehörs verbunden ist. Abgesehen von den
besonderen Eigenschaften von Schall und Klang und ihrer Ordnung
zu zeitlichen Vorstellungen kehren daher bei der Zeitphantasie die
nämlichen allgemeinen Verhältnisse wieder, die uns bei der Raum¬
phantasie begegnet sind. Auch hier fehlt es niemals an einem ob¬
jektiven Eindruck, der die Vorstellungen auslöst; und auch hier sind
diese nicht durch irgendwelche spezifischen Merkmale von den ge¬
wöhnlichen Sinneswahmefamungen zu scheiden, sondern überall
spielen die Faktoren der Phantasietätigkeit in unsere Auffassung der
Eindrücke hinein. Nur bringen es die besonderen Eigenschaften des
hauptsächlichsten Zeitsinnes, des Gehörs, mit sich, daß sich die ob¬
jektiven Eindrücke, welche die Phantasietätigkeit auslösen, ebenso
wie die Veränderungen, die hinwiederum diese an den Eindrücken
hervorbringt, leichter unserer Beachtung entziehen. Jene auslösen¬
den Eindrücke sind ^nämlich vermöge der Fähigkeit des Menschen,
in den Stimm- und Sprachlauten Schalleindrücke hervorzubringen,
in sehr vielen Fällen selbst subjektiven Ursprungs; und sie können
dies auch dann sein, wenn die Stimmlaute nicht zu objektiver
Schallgebung gelangen, weil die Artikulationsbewegungen mit den
sie begleitenden Empfindungen immer bereitstehende assoziative