Erzählende Dichtung.
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lachte, daß seitdem seine Zähne sichtbar geblieben sind«*). Diese
melanesische Erzählung ist, wie man sieht, schon eine verwickeltere,
vielleicht aus mehreren ursprünglich gesonderten Fabeln zusammen¬
geflossene Komposition, die neben der Schuppenbildung der Haut
die Lebensweise der beiden miteinanander wettenden Fische und
schließlich auch noch die sichtbaren Zähne des »tertius gaudens«
erklärt. In diesem letzteren Zug ist übrigens schon eine leise
Wendung zur Scherzfabel erkennbar. Reich an solchen biologischen
Fabeln sind endlich die afrikanischen Stämme. So gehört hierher
die hottentottische Fabel von der Sonne und dem Schakal: »Die
Sonne befand sich einst auf der Erde und saß hilflos am Wege,
die Menschen beachteten sie nicht. Da ging der Schakal vorbei
und nahm sie auf den Rücken, um sie weiter zu tragen. Die Sonne
aber verbrannte ihm das Fell. Seitdem hat der Schakal einen
schwarzen Rücken«* 3). Auch Rudimente ursprünglich mythologischer
Fabeln, auf die schon die Rolle der Sonne in der letzten Erzählung
hinweist, kommen hier vor. So in der folgenden hottentottischen
Variante eines in Südafrika weitverbreiteten Fabelmotivs: »Der
Mond sprach zum Hasen: gehe zu den Menschen und sage ihnen,
wie ich sterbe und wieder lebendig werde, so sollt auch ihr sterben
und wieder lebendig werden. Der Hase richtete aber die Botschaft
verkehrt aus, indem er sagte: wie ich sterbe und nicht wieder
lebendig werde, so soll es auch euch ergehen. Als der Mond das
erfuhr, schlug er den Hasen auf den Mund, und seitdem hat der
Hase einen gespaltenen Mund.« Da dieselbe Fabel in noch andern
Variationen vorkommt, in denen der letztere Zug fehlt, so haben
wir es hier offenbar mit einer Kombination des biologischen Motivs
der Hasenscharte mit einem wahrscheinlich älteren mythologischen
Motiv zu tun, das ausschließlich den Ursprung des Todes zum
Gegenstände hat3).
Den Übergang von dieser Form der Fabel zum biologischen
Märchen bilden gewisse, bei den farbigen Menschenrassen nicht
x) Codrington, The Melanesians, p. 360.
3) W. J. H. Bleek, Reineke Fachs in Afrika, 1870, S. 52. Ferner gehören ver¬
schiedene Bantu- und Haaßafabeln dieser Sammlung hierher, z. B. S. 80, 83.
3) Bleek, a. a. O. S. 54 ff. Weitere Varianten der gleichen Fabel lind von
B. J. Haarhoff gesammelt, Die Bantustimme Südafrikas, 1890, S. 44 ff.
Waadt, Völkerpsychologie II, 1. 2%