3i8
Die Phantasie in der Knnst.
Priester der Espe des Ostens, sende all dein Volk, zu wirken für uns,
Priester der Zeder des Zenits, sende all dein Volk, zu wirken für uns,
Priester der Eiche des Nadirs, sende all dein Volk, zu wirken für uns!
3*
Schlangengesellschaft des Nordens, Schlangengesellschaft des Westens,
Schlangengesellschaft des Südens, Schlangengesellschaft des Ostens,
Schlangengesellschaft des Zenits, Schlangengesellschaft des Nadirs,
kommt her und wirket für uns!*)
So poesielos uns in ihrer ermüdenden Einförmigkeit diese Gebete
erscheinen mögen, so bieten sie doch gerade darum die obener¬
wähnten Eigenschaften des Kultliedes besonders ausgeprägt dar,
Eigenschaften, die auch noch in poetisch veredelter Form in den
Hymnen des Rig-Veda, in den Psalmen und schließlich in der
religiösen Dichtung aller Zeiten wiederkehren; und je dringender
in diesen Fällen der Wunsch nach Erhörung wird, um so mehr
pflegt das Lied auch im Ausdruck an jene primitiven Formen der
Beschwörung zu erinnern.
Indem sich nun aber auf der andern Seite hier, wie überall, die
Gefühlsäußerungen durch die Wiederholung abschwächen, kann
gerade bei dem Kultlied leicht ein Wandel der Motive eintreten.
Durch einen solchen entstehen, wie man vermuten darf, viele jener
mannigfaltigen Liedformen, die wir unter dem Gesamtnamen der
Tanzlieder zusammenfassen können. Da der Kriegstanz, der
Jagdtanz und andere Festtänze, wie wir unten sehen werden, über¬
all wahrscheinlich auf den Zaubertanz zurückgehen, so ist in der
Tat wohl anzunehmen, daß auch für die diese Tänze begleitenden
Gesänge das gleiche zutrifft. Gleichwohl macht sich gerade bei
dem Tanzlied der allmählich eintretende Motivwandel mit beson¬
derer Stärke geltend. Indem der Tanz als solcher Gefühle der
Freude, der leidenschaftlichen Erregung, der Kriegs- oder Jagdlust
erweckt, können sich mit ihm auch neue Liedweisen verbinden, che
selbst keineswegs aus den alten Zauberformeln entstanden zu sein
brauchen. So ist hier in vielen Fällen das einzelne Lied selbst ohne
Zweifel eine direkt aus dem neuen Motiv entsprungene Neubildung,
und nur das ganze aus Gesang, Tanz und lärmender musikalischer
x) M. C. Stevenson, The Sia, Ethnol. Report XI, 1894, P* 123. Andere Gebete
und Zauberformeln von den Sioux vgl. bei J. 0. Dorsey, ebenda p. 374 ff.