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und für Quinte und Oktave ergaben sich als entsprechende Werte
+ 0,81 und -f- 0,95. Alle diese Angaben beziehen sich auf mittlere
Tonlagen und aufeinanderfolgende Töne. Die Intervalle gleichzeitiger
Töne werden viel schlechter geschätzt. Als das Kriterium für die
Beurteilung eines Intervalles bezüglich seiner Reinheit oder Unreinheit
betrachtet Stumpf ein angeborenes und der individuellen Entwicklung
fähiges eigenes Reinheitsgefühl, das sich bei Vergrößerungen als eine
Art Spannung, Schärfe, Überreizung, bei Verkleinerungen als Mattig¬
keit oder Schalheit äußert.
Die Feinheit der Beurteilung sukzessiv gegebener musikalischer
Intervalle in den äußeren Tonregionen ist kürzlich in einer umfang¬
reichen Versuchsreihe von Gatharina v. Maltxew studiert worden.
Das hauptsächlichste Resultat war, daß von der dreigestrichenen
Oktave aufwärts die Urteile immer schlechter werden. In der fünf-
gestrichenen Oktave ist die Fehlerzahl bereits so groß, daß man
fast verleitet werden könnte, die Treffer besonders in der oberen
Hälfte überhaupt nur noch für Zufall zu halten. Nach unten hin
liegt die Grenze der Fähigkeit, Intervalle richtig zu schätzen, etwa
im Anfang der großen Oktave. Bei noch tieferer Lage der Töne be¬
ginnen die Verwechslungen und »klammert« sich das Ohr gleichsam
beim Urteil an die Obertöne.
Lektion 34.
—-—- Vergleicht man verschieden hohe Töne hinsichtlich
ihres Eindruckes auf unsere Psyche miteinander, so
zeigt sich, daß die tieferen Töne einen dumpfen, dunklen Charakter
haben, indeß die höheren hell erscheinen. Besonders deutlich tritt
dies Verhalten zu Tage, wenn man die Töne der tiefsten Oktave
solchen aus der höchsten Region gegenüberstellt. Als Ursache kommen
zum Teil gewiß naheliegende Vorstellungsverbindungen in Betracht.
Tiefe, rollende Töne erinnern an den Donner und die mit ihm ver¬
knüpfte Dunkelheit des Gewitterhimmels und eine Folge tiefer, ge¬
tragener Töne weckt die düstere Stimmung der Trauer, deren äußer¬
lich sichtbares Zeichen ja auch die schwarze Farbe ist, während
andererseits hohe Vogelstimmen und aufsteigende Morgensonne zu¬
sammengehören. Zum Teil ist der Unterschied aber auch unbedingt
in der Qualität der Empfindung selbst begründet. So berichtet Stumpf
in seiner Tonpsychologie von einem 5'/2 jährigen, aller musikalischen
Kunstausdrücke gänzlich unkundigen Knaben, der auf die Frage,
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