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so folgert Helmholtz aus einer mathematisch-physikalischen Betrach¬
tung, »die Spannung in Richtung der Länge verschwindend klein
ist gegen die Spannung in Richtung der Breite, dann verhält sich
die Membrana basilaris annähernd so, als wären ihre Radialfasern
ein System von gespannten Saiten, deren membranöse Querverbin¬
dung nur dazu dient, dem Drucke der Flüssigkeit gegen diese Saiten
eine Handhabe zu geben. Dann werden die Gesetze ihrer Bewegung
dieselben sein, als wäre jede einzelne dieser Saiten in ihrer Bewe¬
gung unabhängig von den anderen und folgte, jede für sich, der
Einwirkung des periodisch wechselnden Druckes des Labyrinth¬
wassers in der Vorhofstreppe. Es würde demnach ein erregender
Ton namentlich diejenige Stelle der Membran in Mitschwingen ver¬
setzen, wo der Eigenton der gespannten und mit den verschiedenen
Anhangsgebilden belasteten Radialfasern der Membran dem erregenden
Ton am nächsten entspricht; von da würden sich die Schwingungen
in schnell abnehmender Stärke auf die benachbarten Teile der Mem¬
bran ausbreiten.«
Da die Basilarmembran an ihrem Anfänge, dem ovalen Fenster
gegenüber, relativ schmal ist, ihre Querdimension nach der Schnecken¬
spitze hin jedoch allmählich um mehr als das Zwölffache zunimmt,
und da andererseits tieferen Tönen physikalisch längere Saiten ent¬
sprechen als höheren, so wird die Erregungszone eines tieferen Tones
der Gochleakuppel, jene eines höheren der Schneckenbasis näher
liegen. Empfängt aber das Ohr nicht einen einfachen Ton sondern
einen Klang, so werden sich in der Basilarmembran so viele einzelne
Erregungszonen entwickeln, wie Partialtone in dem Klange enthalten
sind. Der Hörakt verläuft demnach bei der •Klangwahrnehmung in
der Weise, daß zunächst die Klangwelle als physikalische Einheit
vom Mittelohrapparat aufgenommen wird, daß alsdann in der Basilar¬
membran eine Zerlegung des Klanges in seine pendelförmigen Kompo¬
nenten, eine Klanganalyse, stattfindet und daß schließlich die ein¬
zelnen, auf getrennten Nervenbahnen ins Gehirn eintretenden Tonreize
psychisch wieder zu jener Wahrnehmungseinheit kombiniert werden,
die wir eben Klang nennen.
Ein rein physikalisches Analogon zu diesem, aus physikalischen,
physiologischen und psychologischen Prozessen zusammengesetzten
Vorgänge erhalten wir durch das folgende, sehr leicht auszuführende
Experiment. Man singe gegen den Resonanzboden eines Klaviers,
dessen Dämpfung aufgehoben ist, so daß alle Saiten frei schwingen