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Einleitung.
von Reizen irgend welcher Art fesselte wohl alle Forscher und
manche bemühten sich auch, das geheimnissvolle Wesen dieser
Erscheinung durch mehr oder minder scharfsinnige Theorien
zu erläutern, aber nur wenige sprachen sich darüber aus, ob
die lebendige Bewegung des Muskels von allen seinen Theilen
gleichzeitig ausgehe, oder aber, ob sie in bestimmten Punkten be¬
ginnend auf die entferntem sich übertrage. Dergleichen Feinheiten
liegen überhaupt der altem Physiologie ferner, die sich gern
mit blitzartig schnellen Bewegungen und unmessbar kurzen
Zeiten begnügt. Hamberger1) ist meines Wissens einer der
Ersten, der sich über die Contractionsweise des Muskels aus¬
spricht, und zwar in dem Sinne, dass er ihn gleichzeitig von
allen seinen Theilen in Bewegung gerathen lässt. Ihm ist die
Verkürzung das Product einer Vermischung des Nervengeistes
mit dem Muskelblute; er schildert den Apparat, durch den es
möglich ist, dass beide durch den ganzen Muskel hindurch gleiche
zeitig miteinander in Berührung kommen; deshalb findet er es
auch erklärlich, dass ein grosser Muskel zu seiner Verkürzung
keine grössere Zeit als ein kleiner bedarf. In gleichem Sinne
äussert sich schon früher Steno2), wenn ich anders die Stelle
richtig verstehe; er beschränkt sich übrigens auf die Angabe,
dass die Muskelfasern (carnes 1. c. p. 13) bei der Contraction
in ihrer ganzen Länge gleichmässig sich verändern ; den Beweis,
den er dafür zu leisten verspricht, habe ich nicht auffinden können.
Dagegen wird der Gegenstand ziemlich weitläufig von Borelli3)
*) G. E. Hamberger, Phvsiologia medica, pag. 593. §. 1169. Jenae.
1751. Cum motus musculorum fiant ad voluntatem hominis tempore insensibili,
ut etiam miscela spirituum cum sanguine tantillo temporis spatiolo fiat necesse
est. Hoc vero requirit, ut sanguis non solum in minutissimis haereat cavis,
verum etiam ut in quamlibet talem cavitatem minutissimam abeat nervus, qui
Spiritus eo déférât, sic enim maximus aeque ac minimus musculus aeque celeriter
intumescere potest.
ä) N. Stenonis Elementorum Myologiae specimen, pag. 26. Amstelo-
dami. 1669. Dum contrahitur musculus, singulae carnes toto ductu aequaliter
mutantur, ac breviores fiunt.
3) Jos. Alpb. Borelli, De motu animalium. Pars secunda, propo-