822
§ 31. Psychophysische Kausalität
usw. Denn eine Ursache muß ja vorhanden sein, sie kann aber nach
der Voraussetzung nicht im körperlichen Gebiete liegen. Dieser
Schluß gilt aber nicht bloß für die erste, sondern auch für jede
spätere Sinnesempfindung im individuellen Leben, da nach der Vor¬
aussetzung keine Empfindung durch einen physischen Vorgang wie
den Nervenprozeß erzeugt sein kann. Ebenso hat aber auch jeder
Willensakt, der auf eine Bewegung gerichtet ist, hiernach nicht
diese Bewegung zur kausalen Folge, da dies wieder ein Überspringen
der Kausalität in das andere Reich bedeuten würde, sondern er muß
irgendeinen unbekannten, rein hypothetischen Seelenzustand zur
Folge haben, der seine Wellen nach vorwärts ins Unendliche weiter¬
senden muß.
Und was wird aus dem gepriesenen Monismus ? Wir erhalten
statt der einen zusammenhängenden Welt zwei, ja unendlich viele
nebeneinander herlaufende selbständige Welten, einen Pluralismus
schlimmster Art. Wenn Aristoteles gegen die Platoniker spottend
bemerkte, sie hätten mit der Annahme von Ideen die Welt, statt
sie zu erklären, nur vervielfältigt, so gilt dasselbe in erhöhtem Maße
von der Zweiseitentheorie, w~enn sie konsequent durchdacht wird.
Der gescholtene Dualismus aber, nach welchem alles in der Welt,
auch das Geistige und Körperliche, in durchgängiger Wechsel¬
wirkung steht (unmittelbar oder mittelbar), erscheint nunmehr als
der wahre Monismus. Ihm ist die Welt trotz der Mannigfaltigkeit
ihrer Teile ein einheitliches organisches Ganzes.
So erweist sich die parallelistische Anschauung als undurch¬
führbar und widerspruchsvoll, bleibt also die IVechselwirkungslehre
vorläufig doch der beste Leitfaden durch das Labyrinth dieses
großen Problems1.
In der Blütezeit des Monismus gründet e man sogar einen Monisten-
bund, wie es Turner- und Schützenbünde gibt, um sich in der Gesinnung zu
stärken und sie ins Leben überzuführen. „Dualist“ galt als eine Art Schelt¬
wort. In der exakten Naturwissenschaft weiß man aber genugsam von
Stoffen und Prozessen doppelter und entgegengesetzter Art zu reden, ohne
daß jemand daran Anstoß nimmt oder diese Dualismen auszumerzen für
nötig hält, wenn sie sich nicht von selbst im Zuge der experimentellen und
theoretischen Untersuchungen mildern oder als relativ erweisen (wie Kor¬
puskeln und Strahlung). Nur in der spekulativen Philosophie war das über¬
mäßige Drängen auf Einheit um jeden Preis Mode; und selbst da war Fichte
nicht über den Gegensatz des Ich und Nicht-Ich, Schelling nicht über seine
zwei Potenzen des Absoluten hinweggekommen.