8. Kausalanalyse und Entwicklungsmechanik
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8. Kausalanalyse und Entwicklungsmechanik
Achten wir auf das, was hervorragende Biologen unter
,,Kausalanalyse und was sie unter ,,Entwicklungsmecha¬
nic verstehen, so zeigt sich, daß Kausalanalyse (bei M. Hart¬
mann und seiner Schule) die gedankliche und experimentelle Zer¬
legung eines zusammengesetzten Kausalzusammenhanges in ein¬
fachere kausale Zusammenhänge bedeutet, Entwicklungsmechanik
(bei Rhumbler, Roux) das nämliche in den besonderen Fällen der
individuellen und generellen Entwicklung, zunächst der indivi¬
duellen (Ontogenie). Sowohl die Kausalanalyse als die Ent¬
wicklungsmechanik setzen sich dabei die doppelte Aufgabe: 1. Die
gesetzlich aufeinanderfolgenden Zustände so genau, detailliert und
lückenlos als möglich zu beschreiben, 2. die physikalisch-chemischen
Kräfte oder Gesetze namhaft zu machen, die zum Verständnis
dieser Aufeinanderfolge dienen können. Das Verständnis besteht
hier, wie überall in der Naturwissenschaft, in der Unterordnung
spezieller unter allgemeinere Gesetzmäßigkeit.
Die erste Aufgabe ist mit Hilfe des Mikroskops bereits in weit¬
gehendem Maße erfüllt. Bezüglich der zweiten aber müssen wir
uns fast überall schon glücklich schätzen, wenn die Kräfte ihrem
allgemeinen Begriffe nach bezeichnet werden können und
wenn dies nicht bloß vermutungsweise, sondern auf experimentell
beweisbare Art geschieht, auch wenn der quantitative Nachweis
noch nicht erbracht ist. Wir können dann doch mehr oder weniger
die Möglichkeit, ja die Notwendigkeit der vorher nur als Tatsache
beschriebenen Aufeinanderfolge einsehen.
Ein gutes Beispiel bieten jene Gesetzmäßigkeiten der ersten
Klasse, die als Tropismen (Wirkungen äußerer Reize, wie Licht,
Schwere, auf gerichtete Bewegungen festgewachsener Pflanzen) be¬
zeichnet werden. Wenn die Pflanzen sich dem Lichte zuwenden
(Phototropismus), so kann man dies als mechanische Wirkung eines
durch das Licht beeinflußten einseitigen Wachstums verstehen,
wenn auch wohl noch nicht genau quantitativ verfolgen. Analog-
lassen sich wohl auch der Geotropismus, Galvanotropismus u. a.
mechanisch deuten. In gleicher Richtung liegen Untersuchungen
über Nastien (Krümmungen, worunter die der Mimosa allein
zahlreiche Untersuchungen hervorgerufen hat) und die Taxien
(Reaktionen freilebender Organismen, speziell der einzelligen, bei