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II. Kapitel.
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passiven Erlebnisses nie haben können, wenn ich dabei von
dem Moment der Aktivität, also dem Faktor in mir, zn dem
das passive Erlebnis in Gegensatz tritt, absähe, ihn ausser Be¬
tracht liesse. Vielmehr ist, wenn das Gefühl der Passivität ent¬
stehen soll, die erste Bedingung, dass ich das passive Erlebnis
zu mir oder dem Momente in mir, dem es entgegenwirkt, in Be¬
ziehung setze, dass ich es betrachte als zu diesem Momente in
Gegensatz tretend. Zugleich darf dies Moment der Aktivität doch
auch wiederum nur in Betracht kommen, sofern das Erlebnis
zu ihm in Gegensatz tritt. Ich muss also insbesondere dies
Moment der Aktivität „unter dem Gesichtspunkte“ des
Erlebnisses, angesichts dessen ich mich passiv fühlen soll, be¬
trachten.
So würde in dem oben gebrauchten Beispiel das Gefühl der
Passivität angesichts des sich mir „aufdrängenden“ Pflichtgedankens
nicht entstehen können, wenn ich, mit einer Wendung Kants, von
der in mir vorhandenen, der Pflicht entgegenstehenden „Neigung“
ab sähe. Denn dies hiesse, dass die psychische Wirkung dieser
Neigung, insbesondere also auch die Wirkung auf mein Ge¬
fühl, ausgeschaltet wäre. Die Gegenwirkung dieser Neigung,
oder die gegensätzliche Beziehung zwischen ihr und dem Pflicht¬
antrieb ist es aber eben, die das Passivitätsgefühl bedingt. Dies
Gefühl entsteht — nicht, weil der Gedanke der Pflicht in mir da
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und lebendig ist, sondern weil er zu der „Neigung“ in der be¬
sonderen Beziehung steht, die ich damit bezeichne, dass ich sage,
er wirkt derselben entgegen. Und das fragliche Gefühl besteht
nur, so lange diese Beziehung da ist und wirksam ist Diese
„B e z i e h u n g“ kann aber in mir da sein und wirksam sein,
oder es kann jene Gegenwirkung in mir stattfinden, nur wenn
beide Gedanken, der Pflichtgedanke und der Gedanke an das
Vergnügen, in mir zumal wirksam sind und mich in Anspruch
nehmen und wenn beide apperceptiv vereinigt sind. Das Gefühl
der Passivität angesichts des Pflichtgedankens entsteht, indem ich
diesen Gedanken innerhalb dieser apperceptiven Einheit apper¬
ceptiv hervorhebe, und ihm die „Neigung“ oder allgemeiner ge¬
sagt, das Moment in der Persönlichkeit, bezw. das aktive Streben
oder Thun, zu dem jener Gedanke in Gegensatz tritt, apperceptiv