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Das, was in dem vorliegenden Falle geschieht, ist
nun nicht die Bahnung eines neuen Weges in dem Sinne,
dass bisher uneröffnete Bahnen fahrbar werden. Die
neue Wirkung des Sinneseindrucks auf das Kind beruht
nicht darauf, dass er auf einem anderen Wege fortgeleitet
wird, der vorher versperrt war, sondern darauf, dass der
Punct C.G“ in einen solchen Zustand gekommen ist, dass
er stärker von dem aus C.O“ irradiirenden Impulse be¬
einflusst wird, als alle anderen Zellengruppen, zu denen
er gelangt, oder richtiger, dass sie (C.G“) die einzige
Zellengruppe ist, die in erkennbarer Weise auf den durch
die Irradiation gegebenen Impuls erwidert.
Als Grund dieser grösseren Empfänglichkeit kennen
wir allein den Umstand, dass diese Zellengruppe vorher
zu wiederholten Malen gleichzeitig mit C.O“ in Activität
versetzt worden ist; dadurch ist in ihren Zellen eine Ver¬
änderung hervorgerufen worden, ein Zustand von Erreg¬
barkeit, der sich nicht in den übrigen von Irradiation be¬
troffenen Hirnzellen findet. Es tritt eine Summation der
in C.G“ noch bestehenden und der durch Irradiation von
C.O" zugeleiteten functionellen Thätigkeit ein.*) Die Ur¬
sache dafür, dass C. G“ nur durch die von C. 0“ ausgehende
Irradiation erregt wird, nicht durch einen Reiz von anderen
*) Das Yerhältniss wird vielleicht deutlicher werden, wenn mau
sich an das Interferenzphänomen erinnert, welches zeigt, wie eine
Wellenbewegung durch den Einfluss einer ähnlichen Bewegung verstärkt
werden kann. Die Irradiation, die von einem einzelnen Puncte, C.O“,
ausgeht und sich mit stets abnehmender Stärke nach allen Seiten aus¬
breitet, kann mit der kreisförmigen Wellenbewegung verglichen werden,
die ein in ruhiges Wasser geworfener Stein hervorruft. Trifft eine
solche von C.O“ ausgegangene Bewegung nun eine ähnliche, früher er¬
regte, aber noch nicht ganz verstrichene Bewegung im Gebiet von C.O“,
so kann dies Gebiet durch Interferenz in stärkere Bewegung gerathen,
als das übrige Gebiet der von C.O“ ausstrahlenden Bewegung.