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B. Erzeugung des Tones
Man erkennt z. B. die Reinheit des Intervalles f2 : g2 = 696 : 783 =
8 : 9 daran, daß ihr Differenzton mit dem Ton F = 87 überein¬
stimmen muß ; soll aber g2 : a2 = 783 : 870 =9:10 sein, so muß ihr
Differenzton wiederum F = 87 betragen.
54. Stimmtechnik. Unmittelbar aufgefaßt werden bei der Stimmung
der Instrumente stets nur die natürlichen, d. h. reinen Intervalle. Auf
ihnen beruht z. B. die Stimmung der Streichinstrumente, die reine
Quinten bzw. Quarten verlangen.
Anders und bedeutend schwieriger ist die Herstellung der tem¬
perierten Stimmung, wie sie etwa das Klavier verlangt. Es
gibt hier eine ganze Reihe von Verfahren, die alle auf der Her¬
stellung reiner Oktaven und dem Prinzip der Schwebungen unreiner
Quinten beruhen. (Die Zahl dieser Schwebungen wird gezählt.)
Man geht so z. B. vom Kammerton a1 aus, der von der Stimm¬
gabel gewonnen wird, zunächst nach unten zu a; man stimmt nun
e1 als Quinte etwas zu klein, desgleichen h1 und fis2, geht dann
über fis1 zu cis2, gis2, gis1, dis2 = es2, es1, b1, f2, f1, c2, g2, g1, d2 bis
zu d1, indem man stets die Oktaven genau, die Quinten aber
schwebend stimmt, und probiert am Schluß das Quintenintervall
d1 a1. Nebenher prüft man durch Quarten- und Terzengriffe die
gesamte Arbeit.
Statt nach oben zu gehen, kann man auch absteigende Quinten
benutzen. Meist werden beide Wege gewählt, um auf dem zweiten
die Ungenauigkeiten des ersten zu beseitigen. Es sind dann be¬
reits fast sämtliche Töne der 1. und 2. Oktave eingestimmt. Die
übrigen nach oben und unten werden durchweg als reine Oktaven
ermittelt, wobei zur Probe der tonische Dreiklang und der Quart¬
sextakkord angeschlagen werden. Dabei pflegt man aber in der
Höhe die Stimmung allmählich oberwärts schwebend, in der Tiefe
unterwärts schwebend zu nehmen, so daß die Quinten an den
Enden sich mehr den reinen Intervallen nähern als in der Mitte.
Das hat seinen Grund in der Erfahrung, daß die Seiten der höheren
Oktaven, wohl infolge der größeren Spannung sich schneller zu
niedrig verstimmen, die übersponnenen Saiten der tieferen Töne
aber allmählich ein wenig hinaufgehen. Durch die bewußten Ok¬
tavenverstimmungen, die sehr gering sind, wird dieser Änderung
vorgebeugt.
Eine solche Stimmung nach gleichschwebender Temperatur kann
nur von Personen ausgeführt werden, die sich durch lange Übung das
Empfinden für diese Ausgleiche, die dem natürlichen Gefühl wider¬
sprechen, angeeignet haben.