Besondere Gestaltungen der Musikalität.
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Wicklung gewisser mit dem Gehörssinn zusammenhängender
Gehirnteile für die sämtlichen Eigenschaften, die wir als
Merkmale der Musikalität bezeichnen, begünstigend ins Ge¬
wicht fällt, daß aber jede derselben außerdem von anderen
Seiten der Veranlagung abhängig ist. Freilich können wir
das ebensowenig streng erweisen, wie wir diese verschiedenen
anderen Anlagen im anatomischen Sinn zu deuten vermögen.
Ich erwähne noch einige besondere Gestaltungen der
musikalischen Anlage, die mir in der einen oder anderen Hin¬
sicht besonders merkwürdig erscheinen. Sèhon bei der Be¬
sprechung des Sinnes für Rhythmik und zeitliche Verhältnisse
hatten wir anzuführen, daß die Fähigkeit, Bewegungen in
bestimmter rhythmischer Form auszuführen (Marschieren,
Tanzen), kein ganz zuverlässiges Kriterium dafür darstellt.
Es gibt Personen, die trotz guter rhythmischer Begabung
nicht im Takt zu tanzen vermögen1). In ähnlicher Weise
scheint auch das, was wir das musikalischeGehör nennen,
die Empfindlichkeit für Abweichungen vom Gleichklang
oder den reinen Intervallen, zwar meistens, aber nicht aus¬
nahmslos in einer motorischen Leistung, dem reinen Singen,
zur Erscheinung zu kommen. So erwähnen Haecker und
Ziehen (a. a. O. Bd. 90, S. 233) einige Fälle, in denen Personen
selbst nicht rein zu singen vermochten, obwohl sie beim
Hören anderweit hervorgebrachter Musik gegen unreine
Töne sehr empfindlich waren. Es bestätigt sich also hier,
daß für die Ausführung der passend geordneten Bewegungen
zwar in erster Linie gewisse Empfindungen und ihre intellek¬
tuelle Verwertung, also eine „sensorische Funktion“ er¬
forderlich ist, daß aber die Übertragung auf die motorischen
Gebilde noch an einen weiteren Mechanismus gebunden ist,
der anatomisch selbständig ist und daher auch für sich allein zu
Unvollkommenheiten oder Ausfällen der Funktion Anlaß
geben kann.
Wir pflegen die Engländer, überhaupt die Angel¬
sachsen nicht als eigentlich musikalisch zu betrachten;
h Vgl. o. S. 26.