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Mittel des Ausdrucks bei Thieren.
Cap. 4.
nigstens einige der Gründe für die Association gewisser Arten
von Tönen mit gewissen Seelenzuständen einsehn. Es wird z. B.
ein von einem jungen Thiere oder von einem Gliede einer Thier¬
gemeinde als ein Ruf nach Hülfe ausgestossener Schrei naturge-
mäss laut, lang ausgezogen und hoch sein, so dass er in grössere
Entfernung reicht. Denn Helmholtz hat gezeigt7, dass in Folge
der Form der innern Höhle des menschlichen Ohrs und seiner
daraus sich ergebenden Resonanzfähigkeit hohe Töne einen eigen¬
tümlichen starken Eindruck her vorrufen. Wenn männliche Thiere
Laute ausstossen, um den Weibchen zu gefallen, so werden sie
natürlich solche anwenden, welche den Ohren der Species lieblich
sind; und es möchte scheinen, als wenn dieselben Töne oft sehr
verschiedenen Thieren angenehm wären, und zwar in Folge der
Ähnlichkeit ihrer Nervensysteme, wie wir ja selbst dies darin
wahrnehmen, dass uns der Gesang der Vögel und selbst das Zir¬
pen gewisser Laubfrösche Vergnügen macht. . Auf der andern
Seite werden Laute, welche hervorgebracht werden, um einem
Feinde Schrecken einzujagen, naturgemäss rauh und unange¬
nehm sein.
Ob das Princip des Gegensatzes, wie sich vielleicht hätte
erwarten lassen, bei Lauten mit in’s Spiel gekommen ist, ist
zweifelhaft. Die unterbrochenen lachenden oder kichernden Laute,
welche der Mensch und verschiedne Arten von Alfen her Vorbringen,
wenn sie vergnüglich gestimmt sind, sind von langausgezogenen
Schreien dieser Thiere, wenn sie in Angst sind, so verschieden
als möglich. Das tiefe Grunzen der Befriedigung eines Schweines,
wenn ihm sein Futter zusagt, ist von dem scharfen Schrei des
Schmerzes oder Schreckens äusserst verschieden. Beim Hunde
aber sind, wie erst vor Kurzem bemerkt wurde, das Bellen vor
Zorn und das vor Freude Laute, welche durchaus nicht in Gegen¬
satz zu einander stehn ; dasselbe gilt auch für einige andere Fälle.
Es findet sich dabei noch ein andrer dunkler Punkt, nämlich,
ob die unter verschiedenen Zuständen der Seele hervorgebrachten
7 Die Lehre von den Tonempfindungen, 1870, S. 221. ff. Helmholtz
hat auch in diesem gelehrten Werke die Beziehung der Form der Mund¬
höhle zu dem Hervorbringen der Yocallaute ausführlich erörtert.