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Erröthen.
Cap. 13.
Frauen erröthen viel mehr als Männer. Es ist selten, einen
alten Mann erröthen zu sehen, aber nicht nahezu so selten, eine
alte Frau roth werden zu sehen. Die Blinden entgehen dem Er¬
röthen nicht. Laura Bridgman , welche in diesem Zustande und
ausserdem noch vollständig taub geboren wurde, erröthet 4. Mr.
R. H. Blair, Vorsteher des Woreester-College, gibt an, dass drei
blindgeborne Kinder unter sieben oder acht sich zu der Zeit in
der Anstalt befindenden leicht und stark erröthen. Anfangs sind
sich die Blinden nicht bewusst, dass sie beobachtet werden , und
es ist, wie mir Mr. Blair mittheilt, einer der wichtigsten Stücke
in ihrer Erziehung, dies Bewusstsein ihrem Geiste einzuprägen; der
hierdurch erlangte Eindruck dürfte die Neigung zu erröthen durch
die Verstärkung der Gewohnheit der Aufmerksamkeit auf sich
selbst bedeutend befestigen.
Die Neigung zu erröthen wird vererbt. Dr. Burgess theilt
den Fall einer Familie mit5, bestehend aus dem Vater, der
Mutter und zehn Kindern, welche sämmtlich ohne Ausnahme bis
zu einem äusserst peinlichen Grade zu erröthen geneigt waren.
Die Kinder wuchsen heran, „und einige von ihnen wurden auf
„Reisen geschickt, um diese krankhafte Empfindlichkeit zu über¬
winden; es half aber alles nicht das Geringste.“ Selbst Eigen¬
tümlichkeiten beim Erröthen scheinen vererbt zu werden. Als
Sir James Paget das Rückgrat eines jungen Mädchens unter¬
suchte, fiel ihm die eigenthümliche Art des Erröthens bei ihr
auf; es erschien zuerst ein grosser rother Fleck auf der einen
Wange, dann kamen andere Flecken verschiedentlich über das
Gesicht und den Hals zerstreut. Er frug dann später die Mutter,
ob ihre Tochter immer in dieser eigentümlichen Weise erröthet
wäre und erhielt zur Antwort: „Ja, sie ist nach mir geraten.“
Und nun bemerkte Sir J. Paget, dass er durch das Stellen dieser
Frage die Mutter zu erröthen veranlasst habe; sie zeigte dabei
dieselben Eigenthümlichkeiten wie ihre Tochter.
4 Lieber, On the Vocal Sounds etc. in: Smithsonian Contributions,
Vol. II. 1851, p. 6.
5 a. a. 0. p. 182.