Cap. 6.
Mensch : Leiden und Weinen.
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des folgenden Capitels bilden. Hier werde ich mich beinahe ganz
auf das Weinen oder Schreien besonders bei Kindern beschränken.
Wenn kleine Kinder selbst geringen Schmerz erdulden, massi¬
gen Hunger oder Kummer leiden, so werden heftige und anhal¬
tende Schreie ausgestossen. Während sie in dieser Weise schreien,
werden die Augen fest geschlossen, so dass die Haut rings um sie
gefaltet und die Stirn zu einem Runzeln zusammengezogen ist.
Der Mund ist weit geöffnet und die Lippen sind in einer eigen-
thiimlichen Art und Weise zurückgezogen, welche dem Munde eine
viereckige Form gibt. Das Zahnfleisch oder die Zähne sind dabei
mehr oder weniger exponirt. Der Athens wird beinahe krampf¬
haft eingezogen. Es ist leicht, kleine Kinder während des Schreiens
zu beobachten. Ich habe aber Photographien, welche durch den
Process des augenblicklichen Lichtbildens gemacht wurden, als
das beste Mittel zur Beobachtung erkannt, da es eingehendere Unter¬
suchung gestattet. Ich habe zwölf davon gesammelt, von denen die
meisten ausdrücklich für mich angefertigt wurden. Sie bieten
alle dieselben allgemeinen charakteristischen Momente dar. Sechs
von ihnen habe ich daher 1 (Tafel I) durch den Process der Helio-
typie reproduciren lassen.
Das feste Schliessen der Augenlider und die in Folge davon
eintretende Compression des Augapfels — und dies ist ein
äusserst bedeutungsvolles Moment bei verschiedenen Ausdrucks¬
weisen — dienen dazu, die Augen davor zu schützen, dass sie zu
sehr mit Blut überfüllt werden, wie sofort im Detail erklärt wer¬
den soll. In Bezug auf die Reihenfolge, in welcher sich die ver¬
schiedenen Muskeln zusammenziehen, um die Augen fest zusammen¬
zudrücken, bin ich dem Dr. Langstaff von Southampton für einige
Beobachtungen, die ich seit der Zeit wiederholt habe, zu Danke
verpflichtet. Die beste Art, diese Ordnung zu beobachten, ist:
eine Person zuerst ihre Augenbrauen erheben (dies erzeugt Fur-
1 Die besten Photographien in meiner Sammlung sind die von Mr. R ej-
1 ander, Victoria Street, London, und von Herrn Kinder mann in Ham¬
burg. Die Figuren 1, 3, 4 und 6 sind von dem ersteren, Fig. 2 und 5 von
dem letzteren. Fig. 6 ist gegeben worden, um das massige Weinen bei
einem älteren Kind« zu zeigen.