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Erfter Abfchnitt: Methodifche Grundlegung der Äfthetik.
Begriffe wie: Symbol und Allegorie, Stil und Manier, Genie und
Talent, idealiftifch, realiftifch, naturaliftifch, nach dem mit diefen Worten
verknüpften Sprachgebrauch beftimmen!
Die von dem Sprachgebrauch geleiltete Hilfe kann nur darin
beftehen, daß er für die zweckmäßigfte Benennung eines pfychologifch
gekennzeichneten Gefühls- und Phantafietypus herangezogen wird.
Soll das Schöne, das Charakteriftifche, das Komifche, das Groteske,
das Lyrifche, das Dekorative oder was es immer fei, äfthetifch be-
ftimmt werden, fo kommt es in der Hauptfache darauf an, daß ein
tatfächlich vorhandener, bedeutfamer, der Heraushebung werter Ge¬
fühls- und Phantafietypus pfychologifch befchrieben wird. Erft eine
zweite Frage ilt es, ob für diefen Typus die zweckmäßigfte Bezeich¬
nung gewählt wurde. Alfo nur für die Benennung der tatfächlich
vorhandenen wichtigen Gefühls- und Phantafietypen ilt der Sprach¬
gebrauch maßgebend. Für die fachliche Unterfuchung felbft kann er
nur ungefähr auf die Spur des Richtigen leiten. Es kann daher wohl
die pfychologifche Zergliederung an ihn anknüpfen, niemals ihn aber
fachlich maßgebend werden laffen.
Nebenbei bemerkt, ift es ein überaus häufiger Fehler der äftheti-
fchen Kritik, daß fie Abweichungen in der Benennung ohne weiteres
als fachliche Mängel hinftellt. Wenn beifpielsweife ein Kritiker an
eine Äfthetik des Tragifchen herantritt, fo müßte feine erlte Auf¬
gabe dahin gehen, zu fragen, ob in dem Buche wirklich vorhandene
charakteriftifche und bedeutfame Gefühls- und Phantafieverläufe be¬
fchrieben und in das richtige Verhältnis untereinander gebracht wor¬
den find. Erft an zweiter Stelle hätte er zu fragen, ob für die be-
fchriebenen Gefühls- und Phantafietypen die fprachgebrauchsmäßig
angemeffenften zufammenfaffenden und unterfcheidenden Ausdrücke
gewählt wurden. Gewöhnlich indeffen verfährt der Kritiker anders:
Abweichungen in der Namengebung verkündet er fofort als fachliche
Irrtümer des Verfaffers.
Darwinifti- 17. Wie an alle Richtungen des Geifteslebens, fo läßt fich auch
tteuungenjnan die äfthetifchen Gefühle die Frage heranbringen, ob und inwie-
derÄiihetik.weit fie fich von darwiniftifcher Grundlage aus verliehen laffen.
Nach allem Vorangehenden gehört freilich diefe Frage nicht in die
grundlegenden, überhaupt nicht in die fyftematifchen Teile der Äfthetik,
fondern in ihre entwicklungsgefchichtlichen Betrachtungen. Hier darf,
ja muß vielleicht unterfucht werden, welche Bedeutung die natürliche
Auslefe im Kampf ums Dafein für die Entftehung und Entwicklung