Volltext: System der Ästhetik. Erster Band

Achtzehntes Kapitel: Schlußbetrachtungen. 
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Verhalten eine Ineinanderbildung voll Reichtum und Wohlklang.1) 
Und um fo wertvoller ift diefes Gebilde, als fein Inhalt durch jene 
Gehobenheit ausgezeichnet ilt, die in der zweiten Norm durch das 
Menfchlich-Bedeutungsvolle zum Ausdruck gebracht wurde. 
So ift denn auch begreiflich, daß die äfthetifche Betätigung von 
jenem Glticksgefühl erfüllt ist, das wir fo oft von Künftlern und Nicht- 
künftlern, von Philofophen und unbefangenen Menfchen gepriefen 
hören. Wir haben im üebzehnten Kapitel des zweiten Abfchnittes 
eine ganze Menge von Luftarten kennen gelernt, die fich an die ver- 
fchiedenen Seiten des äfthetifchen Verhaltens knüpfen. Jetzt nun ift 
hinzuzufügen, daß auch jenes Zufammenwirken der verfchiedenen 
menfchlichen Betätigungsrichtungen, jenes allfeitige, gleichmäßige und 
kraftvolle Sichausleben der menfchlichen Natur eine Quelle ftarker 
und tiefer Beglückung ift. Alle Hemmungen, Reibungen, Klüfte find 
verfchwunden; in gehaltvollem und mühelofem Einklang ftrömt fich 
die menfchliche Natur aus. Dies gibt eine Luft, in die alle jene 
verfchiedenen Luftformen einmünden. Ich nenne fie die Luft der 
äfthetifchen Gefamtwirkung. Alle jene Beiträge von den mannig¬ 
faltigen Lufturfprüngen aus fchmelzen in diefen großen Luftftrom ein. 
Wenn man etwa lieft, wie Schiller in den Briefen an Goethe feine 
von Wilhelm Meifter empfangenen Eindrücke fchildert, oder wie 
Wilhelm Humboldt fich in die künftlerifche Welt von Hermann und 
Dorothea vertieft, oder wie Goethe in feinem Winckelmann über die 
Wirkung von Schönheit und Kunft auf den Menfchen fpricht, fo kann 
man deffen inne werden, welche Befeligungen vollftimmiger und reiner 
Art von der äfthetifchen Gefamthaltung des Menfchen ausgehen. 
2. Häufig wird in der Äfthetik mit der Luft, mit dem Gefallen 
nicht nur in dem Sinne der Anfang gemacht, daß es am zweck- 
mäßigften fei, von der Luft als der nächftliegenden, faßlichften, er¬ 
kennbaren Seite am Äfthetifchen auszugehen, fondern in dem be- 
ftimmteren und folgenfchwereren Sinne, daß in der Luft das Ent- 
fcheidende, Normgebende für das ganze äfthetifche Verhalten zu fuchen 
fei. So ift es vor allem bei Fechner: bald zu Anfang feiner Vorfchule 
bekennt er fich geradezu zu einer „eudämoniftifchen“ Äfthetik.2) 
*) Dies ift die erfahrungsmäßige Grundlage und der gute Sinn aller jener 
erhabenen und doch fo leeren Bemühungen bei Schelling und anderen, Schönheit 
und Kunft als „Indifferenz“ aller prinzipiellften und tiefften Gegenfätze des Seienden 
hinzuftellen. 
3) Fechner, Vorfchule der Äfthetik, Bd. 1, S. 32 ff. 
Die Luft 
der äfthetifchen 
Gefamt¬ 
wirkung. 
Warum die Luft 
nicht Prinzip 
der Äfthetik 
fein kann.
	        
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