Volltext: System der Ästhetik. Erster Band

Achtzehntes Kapitel. 
Schlufibetrachtungen. 
Zufammen- 
faffende 
teleologifche 
Betrachtung. 
DasÄfthetifche 
als gleich¬ 
gewichtsvolle 
Einheit des 
Menfchlichen. 
1. So ftellte fich uns denn das Äfthetifche als zuftandekommend 
durch das Zufammenwirken von vier wechfelfeitig fich ergänzenden 
Normen dar. Hierin offenbarte fich zugleich der menfchheitliche 
Wert des Äfthetifchen. Indem es uns durch das Zufammenwirken 
der vier Normen hervorging, erwies es fich uns ebendamit als ein 
Gut, das der Wiffenfchaft, der Sittlichkeit und der Religion ebenbürtig 
zur Seite tritt. 
Von Norm zu Norm ftellte fich der eigenartige und unerfetzliche 
Wert des Äfthetifchen in immer fteigendem Grade und immer um* 
fallenderer Weife heraus. Hier fei zufammenfaffend nur an zweierlei 
erinnert. 
Das äfthetifche Betrachten und Genießen ift eine vielfeitigere 
und gleichgewichtsvollere Betätigungsweife des Menfchen als jede 
andere. Anfchauen und Fühlen, Außenfeite und Innerlichkeit kommen 
— gemäß der erften Norm — im äfthetifchen Verhalten fo gleich¬ 
mäßig kräftig und fo innig eins zur Betätigung wie fonft nirgends. 
Der böfe Dualismus der menfchlichen Natur ift hier überwunden. 
Aber auch das Willens- und Gedankenleben des Menfchen entfaltet 
fich reichlich auf äfthetifchem Gebiete. Dabei aber bleiben ihm die 
Einfeitigkeiten des Handelns und Erkennens gänzlich ferne. Dafür 
forgt die dritte Norm mit jener fo ausführlich behandelten Herab- 
fetzung des Wirklichkeitsgefühles. Und auch die Intelligenz mit ihrem 
formalen Verknüpfungs- und Einheitsbedürfnis kommt — gemäß der 
vierten Norm — zu ihrem Rechte, und auch in diefer Hinficht handelt 
es fich um keine unorganifche Hinzufügung, um kein Nebenher, 
fondern die Gliederung und Einigung ift nichts anderes als eine Aus- 
geftaltung des fühlenden Anfchauens felber. So ift das äfthetifche
	        
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