Erlies Kapitel: Der Gegenltand der Äfthetik. Seine pfychologifche Natur. 15
der Anfchauungen a priori“ verlieht) fpricht, nicht zur Geltung. Kant
gegenüber ift der Ein wand berechtigt, daß der Nachweis von der
fubjektiven Natur des Äfthetifchen die volle Sinnenfälligkeit der äfthe-
tifchen Gegenftände heranziehen muß, daß dagegen in der „Ein¬
bildungskraft“ diefe Sinnenfälligkeit nur von einer einzigen ganz all¬
gemeinen Seite aus geftreift erfcheint. Sodann aber ift es fchief und
übertrieben, den äfthetifchen Gegenltand fo prinzipiell und geradezu
an den „Verltand“ als das „Vermögen der Begriffe“ zu knüpfen,
wie Kant es tut. Und wiederum ift es lange nicht weit genug ge¬
gangen, wenn Kant die fubjektive Natur des Äfthetifchen lediglich
mit dem Hinweis auf ein Verhältnis begründet, in das gewiffe
feelifche Tätigkeiten in uns gefetzt werden. Der äfthetifche Gegen¬
ltand gehört nicht nur infofern in unfer Inneres, als durch ihn ge¬
wiffe Gemütskräfte in uns in ein zweckmäßiges, harmonifches Ver¬
hältnis gefetzt werden, fondern in weit vollerem Sinne. Das ganze
unmittelbare Dafein des äfthetifchen Gegenftandes nach
Form und nach Inhalt vollzieht fich auf dem Boden unteres
Bewußtfeins. In diefer umfaffenden Weife muß der äfthetifche
Gegenltand als feelifches Gebilde erwiefen werden, wenn die pfycho¬
logifche Natur der Äfthetik einleuchten soll. So fällt durch die Kritik,
zu der Kant auffordert, rückwärts ein Licht auf den Sinn des hier
gegebenen Nachweifes von der pfychologifchen Natur der äfthetifchen
Unterfuchungen.
Auch bei Herbart ift die Einlicht in die fubjektive Natur alles
Schönen in voller Beftimmtheit zu finden. Alles Schöne, fo fagt er,
exiltiert im Zufchauer. Außerhalb der Vorftellung gibt es kein Schönes.
Wenn ich tage: diefes Bild ift fchön, fo ift die Schönheit hiermit
nicht der Leinwand, nicht den Pigmenten, nicht den Lichtftrahlen,
fondern nur meiner Vorftellung, in der lieh die Auffaffungen aller
Teile des Bildes vereinigen, zugefprochen.1)
In der fpekulativen Äfthetik nach Kant blieb, wenn auch nicht
überall, die Erkenntnis, wenigftens der Sache nach, erhalten, daß das
Schöne zur Bewußtfeinswelt gehöre. Nur galt diefe Welt fofort als
i) O. Hostinsky, Herbarts Äfthetik. Hamburg und Leipzig 1891. S. 29 f., 34.
Aus der quellenmäßigen Zufammenftellung, die Hoftinskÿ von den allenthalben zer-
ftreuten äfthetifchen Äußerungen Herbarts gibt, erhält man ein eindrucksvolles Bild
von der Fülle und Vielfeitigkeit der Gedanken, die Herbart den äfthetifchen Fragen
gewidmet hat.