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Zweiter Abfchnitt: Befchreibende Grundlegung der Älthetik.
Sinnlich
ergänzende
Empfin¬
dungsrepro¬
duktionen.
Die Bewegungsempfindungen zeigten fich dabei naturgemäß nur fehr
wenig beteiligt. Doch ift es immerhin bemerkenswert, daß die Be¬
wegungsempfindungen nicht nur gegenüber den räumlichen Formen
ihr Spiel entfalten, fondern auch zur Einfühlung in die Farben ihr
wenn auch befcheidenes Teil beitragen. Für die leiblich vermittelte
Einfühlung kann man hier, wie fonft, das Schema (SW+ BV) + (LE + St)
gebrauchen. Dabei bedeutet das in der erften Klammer Enthaltene die
eigentliche Einfühlung: Verbindung von Sinneswahrnehmung mit Be-
deutungsvorftellung; das in der zweiten Klammer Enthaltene umfaßt
das ftimmungsfymbolifch Hinzugefügte : die leiblich vermittelnden Em¬
pfindungen und die hieran fich knüpfende Stimmung. Oft nun ver¬
bindet ficn mit den fymbolifchen Empfindungen noch Erfahrungswiffen.
Die affoziative Einfühlung kann aber auch für fich allein Vorkommen.
Dann gilt das Schema: (SW + BV) + (EW + St). Hier bedeutet EW
Erfahrungswiffen. Endlich gibt es zahlreiche Fälle von Farbenein¬
fühlung, wo fich unmittelbar an den Farbeneindruck die Stimmung
fchließt; alfo Fälle rein optifcher Einfühlung. Das Schema müßte
hier lauten: (SW -f- BV) + (St). Soweit Empfindungen als Zwifchen-
glied auftreten, gefchieht dies wohl bei weitem überwiegend in der
Form von Empfindungsreproduktionen. Selbft bei äußerft lebhafter
Einfühlung und bei empfindungsreizbaren Menfchen gefchieht es
gegenüber Farben wohl nur feiten, daß wirkliche Empfindungen die
fymbolifche Vermittlung ausmachen.
Übrigens muß man fich hüten, in die Farbeneinfühlung und
überhaupt in die fymbolifche Einfühlung Empfindungsreproduktionen
als fymbolifches Mittelglied hereinzuziehen, die als finnliehe Er¬
gänzung des Sinneneindrucks anzufehen find. Wenn ich Seide,
Pelzwerk, Leder, Holz, Silber, Perlen, fei es in Wirklichkeit, fei es
auf einem Bilde, künftlerifch betrachte, fo verbinden fich mit dem
Gefichtseindruck reproduzierte Taft- und Temperaturempfindungen.
Diefe haben aber eine völlig andere Stellung zur Einfühlung als jene
Empfindungen, von denen bisher die Rede war. Wenn mir eine
Farbengebung den Eindruck des Harten, Weichen, Schweren, Leichten,
Kühlen, Warmen macht, fo bedeuten diefe Empfindungen nichts, was
den entfprechenden Gegenftänden wirklich zukäme; fie haben lediglich
die Bedeutung einer Umfetzung ins Analoge, eben eine fymbolifche
Bedeutung. Dagegen befagen die reproduzierten Taft- und Temperatur¬
empfindungen, die ich beim Anblick von Seide, Pelz, Leder, Silber u. f. w.
habe, daß die entfprechenden Gegenftände diefe Taft- und Temperatur-