Elftes Kapitel: Die äfthetifche Einfühlung der eigentlichen Art.
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tifchen Gegenftand pfychologifch zu beurteilen? Wie kommt es zu
diefem „Projizieren“?
Und weiter erhebt fich die Frage: was ift das für eine Ver¬
knüpfung, die zwifchen dem gefchauten Gegenftand und den in ihn
hineingefchobenen Gefühlen zu Hände kommt? Was liegt hierin für
ein Verhältnis von Anfchauen und Fühlen vor? Ift darin nur ein in
Beziehung Stehen oder eine innere Einheit gegeben? Und wie kommt
diefe eigentümliche Verknüpfung von Anfchauen und Fühlen zu (lande?
Wie ift fie pfychologifch zu erklären? Und auf welche Teilfunktionen
ftößt man, wenn man diefe Verknüpfung zergliedert?
Um eine kurze Bezeichnung zu haben, will ich die Verknüpfung
der gegenftändlichen Gefühle mit dem Anfchauen des äfthetifchen
Gegenftandes als äfthetifches Einfühlen bezeichnen. Ich könnte fie
auch äfthetifche Befeelung nennen. Der Name „Äfthetifche Einfühlung“
hat (Ich in den äfthetifchen Schriften der Gegenwart ziemlich ein¬
gebürgert. So will auch ich ihn vorzugsweife anwenden.
2. Die äfthetifche Einfühlung ift doppelter Art: fie ift teils eigent¬
lich, teils fymbolifch. Ich verweife dabei auf die im fiebenten Kapitel
diefes Abfchnittes gegebene Betrachtung über das Symbolifche. Von
befonderer äfthetifcher Wichtigkeit ift die fymbolifche Einfühlung von
Stimmungen, ich könnte auch fagen: die ftimmungsfymbolifche
Einfühlung. Sie ergibt fich unter folgendem Gefichtspunkt.
Die Stimmungen, mit denen wir die gefchauten Gegenftände
erfüllen, find felbftverftändlicher Weife durchweg menfchlich. Wir,
die Betrachter und Genießer, find es ja, die den betrachteten Gegen-
ftänden die Stimmungen liefern. Wir fühlen nun aber eben doch
menfchlich, nicht tierifch oder pflanzlich, auch nicht engelhaft oder
gottheitsmäßig. Diefe untere menfchlichen Stimmungen nun laffen
wir entweder in menfchliche Geftalten und Bewegungen oder in
untermenfchliche Gebilde und Vorgänge einfließen. Dies Zweite
ift der Fall, wenn wir unfere menfchlichen Stimmungen in tierifche
und pflanzliche Gebilde, in die Dinge der unlebendigen Natur, in die
Erzeugniffe menfchlicher Gefchicklichkeit oder endlich in die einfachen
finnlichen Beftandteile und Verhältniffe in der Natur und in deren
willkürliche Verknüpfungen (Ton-, Farben-, Formenverbindungen)
hineinlegen. In dem erften Fall deckt fich das Eingefühlte mit dem
gefchauten Gegenftände: beide Seiten paffen zufammen, den menfch¬
lichen Geftalten und ihren Bewegungen kommt es ihrer eigentlichen
Natur nach zu, mit menfchlichen Stimmungen befeelt zu fein. Dies
Ein¬
fühlung.
Stim-
mungsfym-
bolifche
Ein¬
fühlung.