Volltext: System der Ästhetik. Erster Band

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Zweiter Abfchnitt: Befchreibende Grundlegung der Äfthetik. 
Ergebnis. 
Recht, fo würde diefer Zuftand unmöglich fein, Mein erlebter Ärger 
müßte dann meiner Erinnerung wie ein Vacuum vorfchweben, daß 
fie irgendwie auszufüllen nicht in der Lage wäre. 
So kann alfo mit dem bloßen vorftellenden Reproduzieren, auch 
wenn man die begleitenden äußeren und inneren Erfcheinungen hin¬ 
zunimmt und das Reproduzieren fich auch darauf erftrecken läßt, die 
Erinnerung an Affekte, Geftihlserlebniffe, Gemütsvorgänge oder wie 
man fonft fagen mag, nicht geleiftet werden; denn gerade alles, was 
diefe Vorgänge Charakteriftifches enthalten, würde dann unvergegen- 
wärtigt bleiben. Es bleibt alfo die Tatfache unerfchüttert, daß wir 
uns an unfere Gefühle als folche erinnern. Wir haben bei folcher 
Erinnerung mehr als nur Vorftellungsinhalte und die äußeren und 
inneren begleitenden Umftände vor Augen. Unfere Gefühlserinnerung 
hat nicht jenen finn- und mittelpunktlofen Charakter, den fie haben 
müßte, wenn jene Ausfchaltung berechtigt wäre. 
So ist alfo auch jene fcharffinnige Hilfshypothefe unhaltbar, 
die an die Stelle der Reproduktion des Gefühls als folchen die Re¬ 
produktion der die Gefühle begleitenden Erfcheinungen fetzen möchte. 
Wir werden fonach nur in der Überzeugung beftärkt, daß zur Geftihls- 
reproduktion notwendig jene Gewißheit der Möglichkeit der Gefühle 
gehört. Die Gewißheit diefer Möglichkeit vertritt die Stelle der wirk¬ 
lichen Gefühle und gibt der Vorftellung gleichfam die Kraft, über fich 
hinauszugehen und Vorftellung von Gefühlen zu fein. 
Ich habe bisher immer nur von der Gewißheit des FühlenkÖnnens 
gefprochen. Doch gilt das Dargelegte ebenfo mit Rückficht auf die 
in den Gefühlen enthaltenen willensmäßigen Elemente und die mit 
ihnen verbundene Luft und Unluft. Das Vorftellen als folches vermag 
die Erinnerung an Wollen und Luft-Unluft ebenfowenig zu leiften wie 
die Erinnerung an Gefühle. Genauer alfo wäre zu fagen: mit der 
Gewißheit des FühlenkÖnnens ift auch die Gewißheit des Wollen¬ 
könnens und des Luft- und Unluftempfindenkönnens verbunden. 
Die Gewißheit von der Möglichkeit des Fühlens, Wollens, Luft- 
und Unluftempfindens fteht nicht vereinzelt im Bewußtfein da. Nach 
meiner Überzeugung ift die „Gewißheit der Möglichkeit“ eine 
Bewußtfeinsform, die auch für verfchiedene andere Bewußtfeinser- 
fcheinungen von aufklärender und entfcheidender Bedeutung ift. So 
führt z. B. die Zergliederung des Bekanntheitsgefühls, wie ich an 
anderer Stelle auseinandergefetzt habe, zu einem Elemente, das man 
angemeffener Weife als Gewißheit der Vorftellungsmöglichkeit be-
	        
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