Internationale Wochenschrift
für Wissensdiaft KunstundTedinik
herausqeçeben von Prof Dr Roui H i nneberg .Berlin. IDauerstr-3^
Druck und Verlag- der Bayerischen Druckerei und
Verlagsanstalt G. m. b. H. in München. Geschäftliche
Administration: August Scherl G. m.b. H., Berlin SW.
19. Oktober 1907
Inseraten-Annahme bei den Annoncen-Expeditionen
von August Scherl G. m. b. H., Berlin und Daube & Co.
G. m. b. H., Berlin und deren sämtlichen Filialen.
Für die Redaktion verantwortlich: Professor D
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Carl Stumpf: Richtungen und Gegensätze in der
heutigen Psychologie
Friedrich Meili: Der Kampf um ein Automobilgesetz
(Schluß)
r. Wilhelm Paszkowski, Berlin-Gr. Lichterfelde
d Österreich 3 Mark, für die übrigen Länder des Weltpostverkehrs
imer 25 Pfg. — Inserate die dreigespaltene Nonpareillezeile 50 Pfg. —
sämtliche Geschäftsstellen von August Scherl G. m. b. H. entgegen.
ALT:
Karl Breul: Englische Ferienkurse
Nachrichten und Mitteilungen: Korrespondenz aus
Hamburg etc.
Richtungen und Gegensätze in der heutigen Psychologie.
Von Geh. Regierungrat Professor Dr. Carl Stumpf, derzeitigem Rektor der
Universität Berlin.
Die folgenden Zeilen versuchen, solchen,
die der rasch voranftürmenden und vielver*
zweigten Bewegung in der Psychologie nicht
ganz nahe aber auch nicht ganz ferne ftehen,
wie es von den meiften Lesern dieser Zeit*
schrift vorausgesetzt werden darf, einen deut*
licheren Begriff von den Strömungen zu
geben, um die es sich dabei handelt. Eine
erschöpfende Charakteriftik ift natürlich hier
nicht zu geben, noch weniger kann es auf
Kritik ankommen. Nur das Wesen und das
gegenseitige Verhältnis der verschiedenen
Richtungen soll möglich!! objektiv geschildert
werden. Tatsächlich ift ja auch kaum jemals
ein von sachkundigen und geiftvollen Männern
verfolgter Forschungsweg ganz verfehlt, mei*
ftens entflieht das Verkehrte durch Einseitige
keiten und Übertreibungen, sei es von der
einen Seite, sei es von beiden. Aber es liegt
im Interesse des Fortschrittes, daß diese Eine
seitigkeiten zunächft so scharf wie möglich
hingeftellt und die Unterschiede nicht von
vornherein unklar vermengt werden. Dann
erft können wir hoffen, durch nähere Untere
suchung das Wahre und Falsche daran zu
entdecken. Bei den erften zu erwähnenden
Unterscheidungen konnten Gegensätze von
vornherein überhaupt nur durch Mißvere
ftändnis entfliehen. Dagegen werden weiter*
hin wirklich widerftreitende Standpunkte und
Auffassungen besprochen, die in bezug auf
eine und dieselbe Sache nicht zusammen
richtig sein können, deren Kampf miteinander
aber den Lebensprozeß unserer Wissenschaft
ausmacht.
Nachdem Herbarts Versuch, die psy*
chischen Vorgänge der mathematischen De*
duktion zu unterwerfen, mißlungen war, ift
bekanntlich durch Lotze und Fechner eine
rein empirische Behandlung wieder eingeführt
worden. Wieder eingeführt : denn bereits
das 18. Jahrhundert, um von älteren Zeiten
zu schweigen, hatte in England, Frankreich
und Deutschland äußerft weitläufige und teih
weise sehr verdienftliche Leiftungen dieser
Art hervorgebracht. In Deutschland nahm
Tetens an Gründlichkeit den erften Rang ein.
Was aber Lotze und Fechner von dieser
früheren empirischen Psychologie unter*
scheidet, ift ihr naturwissenschaftlicher Aus*
gangspunkt, ihre vollkommene Beherrschung
der physikalisch* physiologischen Tatsachen
und Methoden. Voneinander unterscheiden
sich die beiden dadurch, daß Lotze nur be*
obachtet und analysiert, Fechner auch ex*
perimentiert. In der Feinheit der subjektiven
Beobachtung war Lotze der größere, wie er
auch der schärfere philosophische Kopf war.
Aber Fechner hat durch sein geniales Zu*
greifen und seine unendliche Geduld in der
Durchführung der Experimente die ftärkeren
Anregungen gegeben.
Hier sehen wir nun sogleich die erfte,
auch heute noch beftehende, Scheidung, die