Die Erweiterung der kindlichen Sinnestätigkeit durch Lehrmittel,
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Schaffensdrange ihrer Vorfahren verdanken. Ebenso
wären Modelle von Kriegsschiffen, Torpedos, Untersee¬
booten, Leuchttürmen usw. recht sehr am Platze, wie
auch Modelle von den verschiedenen Binder-, Pferde-,
Schafe- und Hunderassen usw. Vom Weizen und
Koggen müßte man auch mehrere Sorten vorrätig
haben. Sonst verliert sich der Unterricht zu leicht
ins Wortemachen.
Reliefs und Bodenarten, sowie plastische Boden-,
Küsten-, Berg- und Talformen müßten in reichlicher
Auswahl vorhanden sein, um auch den erdkundlichen
Unterricht auf die kindliche Sinnestätigkeit gründen
zu können. Dann werden auch Bilder, Bisse, Zeich¬
nungen, Karten sich voll bewähren; denn sie bedürfen als
Nachahmungen der lebendigen Natur einer sinnes¬
mäßigen Vorerfahrung. Gerade hierin, in der Schaffung
von geeigneten Bildern, Zeichnungen und anderen gra¬
phischen Lehrmitteln ist unsre Lehr- und Anschauungs¬
mittelindustrie ungemein erfinderisch, schöpferisch und
erfolgreich gewesen und hat in der Tat recht viel Gutes
auf den Schulmarkt gebracht. Kein Lehrfach ist-legr
ausgegangen; für jeden Unterricht kann man sich auf
Bilderwerke stützen, selbst für den in Staatsbürger¬
kunde. So groß, so unübersehbar groß ist die Menge
des Geschaffenen, daß man mit Recht Schulmuseen
verlangt und ausgebaut hat, in denen der Lehrer durch
Augenschein sich von der Güte und Brauchbarkeit der
empfohlenen Lehr- und Anschauungsmittel überzeugen
kann. Durch Beschreibungen und kleine Nachbildungen
läßt sich vielfach kein sicheres Urteil gewinnen. Mit
Recht veranstalten die großen Lehrerversammlungen
stets eine oft mit vielem Fleiß und nicht unbeträcht¬
lichen Kosten zusammengestellte Ausstellung von Lehr-
und Anschauungsmitteln, um ihren Besuchern, die oft
in entlegenen Dörfern wirken, Gelegenheit zu geben,
vom Neuen das Neueste, vom Guten das Beste, vom
Empfohlenen das Bewährte kennen zu lernen. Selbst
beobachten und urteilen gibt Gewißheit. In dankens¬
werter Weise unterhalten bereits viele Schulzeitungen
eine eigene Lehrmittelschau oder Lehrmittelwarte, die
fortlaufend über alle Lehr- und Anschauungsmittel
sachlich zu unterrichten sucht. Wer sich freilich nur
auf fremdes Urteil verlassen muß, wird" sich manchmal
enttäuscht sehen; denn auch ein Kritiker sieht vieles
nur mit seinen subjektiven Augen, und die Bedürfnisse
sind ja recht verschieden.
Es ist hier nicht möglich und auch nicht zweck¬
mäßig, einzelne dieser zahllosen Lehr- und Anschauungs¬
mittel besonders zu empfehlen. In dieser Beziehung
wende man sich an die Lehrmittelschauen und Schul¬
museen. Mit Recht aber blickt man heutzutage nicht
allein auf die lehrende, bloß versinnlichende Kraft der¬
selben, man erwartet von ihnen zugleich künstlerisch
wertvolle Wirkungen. Ein Lehr- und Anschauungs¬
mittel soll nicht nur die bloße Sinnestätigkeit erweitern,
es soll zugleich dem künstlerischen Schauen Nahrung
bieten. Demnach ist dasjenige Lehr- und Anschauungs¬
mittel unterrichtlich am hochwertigsten, das den
äußeren Sinnen und dem inneren Sinne die zuträg¬
lichste Nahrung zuführt.
Das gilt vor allem schon für die Anschauungs¬
bilder, die lange Zeit ein recht unkünstlerisches
Sammelsur von allem Möglichen darboten, damit,nur
•die ganze Lehrstoffmenge darauf vereinigt vorkam. Es
war dies didaktischer Naturalismus und Materialismus,
den man mit vollstem Fug bekämpft und verbannt hat.
I'reilich sucht er sich immer wieder einzuschmuggeln.
So sieht man auf einem neuen Jahreszeitenbilde
(Herbst), wie im Vordergründe Kartoffeln ausgegraben,
unmittelbar daneben Stoppeln umgepflügt werden.
Nicht weit davon steht eine Lokomobile, die eine
Dampfmaschine treibt. Dann sieht man noch eggende
und säende Bauern, einen Jäger mit Hund, Kinder an
einem Kartoffelfeuer, einen Jungen, der seinen Drachen
steigen läßt, eine Windmühle-, eine Ziegelei, einen
heimkehrenden Reservisten, wie er auf der Landstraße
seinem Dörfchen zueilt, einen Zeppelin. Dies Allerlei
füllt nur die eine Hälfte des Bildes. Es ist gewiß des
Gutgemeinten etwas zu viel und daher kein Wunder,
wenn ein ästhetisch fühlender Beurteiler ein solches
Bild nicht empfiehlt. Man soll eben nicht alles auf
einem Bilde darstellen wollen. Es ist das eine durch¬
aus unmethodische Vollständigkeit, die gar nicht von
dem Grundsätze der Anschaulichkeit des Unterrichts
gefordert wird.
Freilich wäre es anderseits wiederum verkehrt,
wollte man den Lehrzweck dieser Bilder gänzlich aus¬
schalten und nur auf Geschmacksbildung sehen. Die
Kunst des Lehr- und Anschauungsbildners besteht darin,
zwei Zwecke mit größter Vollkommenheit zu erreichen.
Dann aber hat man auch zu bedenken, daß jede Schule
ein Recht hat, Rücksicht auf ihre besonderen Bedürf¬
nisse zu nehmen, und diese können gerade in erster
Linie rein lehrhaft versinnlichender Art , sein. Eines
schickt sich'eben nicht für alle, und daher kann ein'
rein persönliches Urteil über ein Lehr- und Anschauungs¬
mittel niemals Anspruch darauf machen, allgemein
gültig und allgemein verbindlich zu sein. Die Beur¬
teilung eines solchen sollte sich vor allem darauf er¬
strecken, die Ziele zu kennzeichnen, die es sich gestellt
hat, und abzuschätzen, ob es diese in vollem Maße
erreicht hat, ob es daher stofflich-sachlich belehrend,
gut versinnlichend und veranschaulichend, ob es auch
und inwiefern es künstlerisch wirkt, künstlerisches
Fühlen und Schauen lehrt.
Der lebhafte, stofflich bereichernde Zweck muß
bei Lehr- und Anschauungsmitteln allerdings obenan
stehen und darf nie in den Hintergrund treten, so¬
lange die Schule in erster Linie zu lehren hat. Es
ist darum auch recht erfreulich, daß Penck sich be¬
müht, eine neue Art von Landkarten zu schaffen,
welche eine wirkliche Anschauung von der Boden¬
gestalt vermittelt, denn unsere bisherigen Karten er¬
zeugen nur eine recht verschwommene Vorstellung von
derselben. Mit Recht kann man behaupten, daß wh¬
am Beginn einer neuen Geländedarstellung stehen, die
zwar zunächst dem Luftschiffer dienen will, die aber
zweifellos auch, nachdem sie den Luftkreis erobert
hat, ihren Einzug in die Schule halten wird. Der
erdkundliche Unterricht hat ja noch mit mancherlei
Schwierigkeiten zu kämpfen, welche nur mit Hilfe
gutgewählter und eingerichteter Lehr- und Anschau¬
ungsmittel zu überwinden sind, man denke an Globen,
Tellurien und alle die Hilfsmittel, welche himmelskund-
liche Dinge sinnlich faßbar machen wollen. Hier läßt
sich noch manches erobern.
Je mehr sich der Kultur- und Bildungsinhalt
mehrt, desto dringlicher ist die Lehrkunst verpflichtet,
die Zeit und Kraft sparende Erweiterung der kind¬
lichen Sinnestätigkeit bis aufs äußerste auszunutzen.
Die Fortschritte der Technik bieten Gelegenheit genug.
Man denke nur an die Phonographen, die, wenn sie
noch einigermaßen vervollkommnet sind, recht gut
unsern Kindern alle Tierstimmen, alle Vogelmelodien,
alle Mundarten, Volkslieder, verschiedene Sprachen,
ja auch Reden berühmter Männer vorführen könnten.
Man denke nur, welchen Anreiz es für die kleinen
Sprachrekruten bieten würde, wenn ihnen der Phono¬
graph erst einmal ein Sprachstück in rechtem Tonfall
der fremden Sprache vortrüge. Dann könnte er auch
gewisse Ausspracheschwierigkeiten öfter vorsprechen.
Das Mikroskop hat die sinnliche Erfahrung eben¬
falls bedeutend erweitert, und' hierin sollte man noch
weit mehr Anwendungen zu machen versuchen, wie
auch von Stereoskopen, Kaleidoskopen; Zauberlaternen
usw. Das Lichtbild (Skioptikon) brachte eine er¬
freuliche Ausdehnung, und ihm hat sich nun das
bewegte Lichtbild angereiht.