Das Gefühlsinteresse der Unterhaltung:.
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erschöpftnde Antwort auf die Frage nach dem Motiv der Geselligkeit,
da man sofort weiter fragen müsste: aber warum macht denn die Ge¬
selligkeit Vergnügen? Wir lassen endlich auch das Standesbewusstsein
oder das Verlangen, sich unter Seinesgleichen zu fühlen, weil es eben¬
falls mit erst später völlig zu übersehenden Gefühlsgebilden — den
Verbandgefühlen — zusammenhängt, hier ausser Spiel.
Alsdann bleiben die beiden Momente der Unterhal¬
tung und der Unterstützung als materiell wesentliche
Motive übrig. Fassen wir diese speciell ins Auge, so zeigt
die Unterhaltung, Unterredung, Gespräcliführung, als Austausch
von Gefühlen und Vorstellungen ein doppeltes Interesse, nämlich
des Gebens und Empfangens, des Erzählens und des
Zuhörens. Jedes von Beiden hat seinen eigenthümliehen,
Beides aber gleich hohen Reiz; wenngleich bei dem Einen
dieser, bei dem Andern der andere mehr ausgebildet erscheint.
Bekanntlich giebt es Personen, die nicht einen Augenblick
zuhören können, sondern sogleich selbst erzählen und sprechen
müssen, während Andere gleichmüthig den Strom solcher
Beredsamkeit über sich ergehen lassen oder selbst begierig
einsaugen.
Das Sprechen verursacht bekanntlich ein eigenthümliches
Wohlgefühl, die meisten Menschen hören sich selbst gern
sprechen, das was man selbst sagt, oder zum Gespräch bei¬
bringt, hat ein eigenthümliches, zu dem Inhalt hinzukommen¬
des, zusätzliches Interesse. Dieses Interesse an der eigenen
Rede beruht wesentlich darauf, dass jedes Gefühl mit Noth-
wendigkeit seine Reaktion, d. h. eine gewisse Kraftentladung
erfordert. Das Sich aussprechen ist eine Art solcher Reaktion.
Abgesehen von dem Falle, wo dasselbe ein direktes Be¬
schwichtigungsmittel oder den Versuch der Beschwichtigung
in sich sclisliesst (Bitten, Rathserholen), würde es zu den früher
erwähnten mimischen Reaktionen gehören, d. h. wie
Schreien, Zappeln, Mienen, Geberde nur indirekt, d. h. durch
Kraftentladung zur Linderung des Gefühls beitragen. Das
Sprichwort, wovon das Herz voll ist, geht der Mund über, be¬
zeichnet ganz richtig die Nothwendi