Unterschied vom Wollusttrieb.
361
beim Menschen die innere Erfahrung“ unsres Bewusstseins nicht-die Spur.
Aber auch dem blossen Wollust triebe, welcher zwar sicherlich eine
grosse Rolle bei der Sache spielt , darf man eine übermässige und
namentlich eine allein entscheidende Bedeutung nicht beilegen. Zum
richtigen Verständniss aller mit dem Geschlechtsleben zusammenhängenden
Verhältnisse ist es von grosser Wichtigkeit, sich daran zu erinnern, dass
unser menschlicher Wollusttrieb ein schon mannichfach entstelltes und
seiner ursprünglichen Quelle entfremdetes Kunstprodukt ist. Es ist —
namentlich bei den Männern fast durchweg — eine durch die Begierde
nach der genossenen oder vorgestellten Lust erzeugte Lüsternheit,
eine Entartung der normalen Triebentwicklung. Um eine solche un¬
günstige Entwicklung hervorzurufen, ist es keineswegs nothwendig,
dass eine wirkliche Wollustbefriedigung stattfindet, und nun die Er¬
innerung an die genossene Lust die Begierde nach ihrer häufigeren Er¬
neuerung zur Folge hat. Es genügt schon vollauf und ist fast noch
gefährlicher, wenn, wie leider kaum zu vermeiden ist, die Phantasie der
heranwachsenden Jugend mit sexuellen Bildern erfüllt und mit der
Vorstellung sexueller Lust genährt wird. Dadurch kommt eine so
fremdartige Entwicklung hinein, dass es äusserst schwer, !wo nicht un¬
möglich ist, sich eine normale, natürliche, d. h. von bewussten Vor¬
stellungen unabhängige Entwicklung des Gesclileclitstriebes beim Menschen
vorzustellen.
Das Thier, dessen Vorstellungsleben überhaupt weit weniger ent¬
wickelt ist und dein namentlich die Fähigkeit deutlicher Mittheilung,
detaillirter Vorstellungen mangelt, ist ungleich keuscher als der Mensch.
Nur beim Hunde, der durch seine hochentwickelte Spürkraft, so wie in
Folge seiner, durch fortgesetzte Züchtung hochgesteigertenDressur ein
ausgebreiteteres Vorstellungsvermögen besitzt, so wie bei dem in dieser
wie in anderer Beziehung menschlicher gearteten Affen finden wir eine
beständig rege sexuelle Lüsternheit und Geilheit. Bei allen übrigen
Thieren sehen wir den Geschlechtstrieb nicht zum eigenartigen Wollust¬
trieb entwickelt, sondern als normalen Geschlechtstrieb durchaus in den
Dienst der Fortpflanzung des Geschlechts gestellt. — Unter diesen Um¬
ständen ist es schwer zu sagen, was der durch die Vorstellungssphäre
nicht verbildete Geschlechtstrieb von Natur sei und wohin er tendire.
Nur bruchstückweise können wir einige Schlüsse darauf wagen: 1) aus
der besonderen Art der zu Grunde liegenden Nervenerregung ; 2) aus
den uns bekannten Stimmungen und Gefühlsweisen unverdorbener
Jünglinge und Jungfrauen.
Entsprechend dem Ner yenreicht hum der Geschlechts¬
organe, der Mächtigkeit der Centren dürfen wir mit Sicherheit
annehmen, dass die sexuelle Erregung nicht nur in ihren