150 Abhängigkeit der ästhetischen von der sinnlichen Erregung.
sie selbst nur dunkelgrau in hellgrau gemalt sein sollte. In
neuerer Zeit hat sich gegen die einseitige Herrschaft der Linien
und Formen, deren ästhetischen Werth man eine Zeit lang
überschätzt hatte, eine berechtigte und gesunde Reaction zu
Gunsten der'Farbe geltend gemacht, welche letztere allerdings
ein unveräusserliches Recht besitzt, als die natürliche sinnliche
Grundlage aller Linien- und Form - Darstellung anerkannt zu
werden.
Uebrigens findet ein ähnliches Yerhältniss, wie wir es
hier zwischen Form und Farbe obwalten sehen, in höherem
oder geringerem Grade bei allen ästhetischen Gefühlen Statt.
Aehnlich — nicht gerade als Nebensache, wohl aber als ab¬
geleitete, als Folgeerscheinung erscheint der Rhythmus und
selbst die Harmonie und Melodie an den Tönen, die Farben¬
harmonie an den Farben, nur dass das harmonische und
melodiöse Element (letzteres gewissermassen aus Melodie und
Rhythmus zusammengesetzt) von unmittelbarerer selbstständigerer
Gefühlswirkung sind, weil sie nicht wie die Raumgefühle an
das seine eigenen Wege gehende Element der Bewegung ge¬
bunden sind.
Allen diesen ästhetischen Abhängigkeitsverhältnissen ist
nun das gemeinsam, dass eine gewisse Wechselwirkung zwischen
dem sinnlichen Grund- und dem ästhetischen Folge-Gefühl
Statt findet. Dieselbe macht sich in unsrem Falle am Meisten
geltend und beeinflusst in besonders merklicher Weise die
Verhältnisse des Erregungszuwachses. Die Grösse der
ästhetischen Erregung ist allemal mit bedingt
durch die Grösse der sinnlichen Erregung. Daher
giebt auch schon die blosse Grösse des Objekts, wenn es von
wirksamer Farbe ist, einen starken auch ästhetisch wohl-
thuenden Eindruck. Je wirksamer, je wohlthuender die
Färbung, je grösser gleichzeitig das Objekt ist, mit desto ein¬
facheren Formen und Umrissen nehmen wir fürlieb, desto
weniger verlangen wir nach reicher Mannichfaltigkeit und
Formgliederung. Bo ist das einfach blaue Himmelsgewölbe in
seiner gesättigten Färbung und in seiner allereinfachsten