Volltext: Analyse der qualitativen Gefühle

148 Vergleichung der Kaum-Gefühle mit dem Rhythmus. 
obwohl sie zum Theil ihre gesonderte physiologische Basis 
haben, gar nicht trennen darf. Denn wenn wir z. B. eine 
einfache symmetrische Figur betrachten, so sind wir ganz 
ausser Stande zu sagen, welche der beiden Axen für dieselbe 
wesentlicher sei, die horizontale oder die vertikale, diejenige, 
welche in allen ihren Parallelen die Gliederung in gleiche 
Theile eingeht, oder diejenige, welche gleichsam als Rückgrat 
der ganzen Figur ihren geistigen Halt giebt. 
Die Symmetrie i. w. S. ist das vollständige Gegenbild des 
Rhythmus. Wie letztere der zeitlichen, so ist erstere Bedingung 
der räumlichen Wahrnehmung. Auch beim Raum ist ebenso 
wie bei der Zeit zum Zustandekommen der Wahrnehmung 
eine Mannichfaltigkeit, eine Gliederung nothwendig. Ein leerer 
Raum kann eben so wenig Gegenstand der Wahrnehmung sein, 
als eine leere Zeit. Der überfüllte, mit unübersichtlichen Em¬ 
pfindungen angeMlte^Raum ist aber eben so wenig geeignet, 
zu einer ursprünglichen Entwicklung des Raumbildes anzuregen, 
als eine wirre Masse unordentlich durcheinander schwirrender 
Geräusche eine ursprüngliche Zeitmessung ermöglichen könnte. 
Wie dort der rhythmische Verlauf der wichtigsten Lebens¬ 
funktionen, so ist hier der streng symmetrische Bau unsres 
Körpers von entscheidender Bedeutung, und deutlicher 
konnte das Verhältniss von Zeit und Raum, von 
Innen- und Aussenwelt nicht illustrirt werden, als 
durch unseren Organismus, der Innen überall 
Rhythmen, aussen überall vollendete Symmetrie 
zeig t. 
Ebenso zeigt das Raum-Gefühl eine ganz ähnliche und 
ebenso allmähliche Stufenleiter von der völligen Leere zu 
immer grösserer Mannichfaltigkeit der Erfüllung bis zur ver¬ 
wirrenden und betäubenden Ueberfülle. Eine völlige Leere 
giebt es bekanntlich hier so wenig, als im Gebiete des Zeit¬ 
sinnes. Aber die grau in grau gestrichene Zelle der Einzel¬ 
haft gilt mit Recht als eins der schwersten Strafmittel. Ein¬ 
fache Linien, leere, durch einfache Linien begrenzte Flächen, 
einfache geometrische Figuren sind zu arm und zu dürftig,
	        
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