134 Ergänzung zu Weiss und Störung.
die Interferenzen längst völlig unmerklich geworden sein
müssen.
Dem steht nun aber die Thatsaehe entgegen, dass optische
Interferenzerscheinungen doch überhaupt Vorkommen und so¬
wohl zum gänzlichen Verschwinden der Lichtwirkung als auch
zur Verschiebung des Spektrums führen können. Wir über¬
lassen die Frage der Entscheidung den Optikern, zumal sie für
unsere Theorie von mehr sekundärem Belang ist, und wenden
uns den Thatsachen zu. Hier fällt uns zuerst der merkwürdige
Zusammenhang auf, dass alle Farbennuancen ohne Ausnahme
bei gehöriger Verstärkung der Lichtquelle in Weiss übergehen
und dass die mit einander harmonirenden Farben komplementär
sind, d. h. sich zu Weiss ergänzen. Das Zusammenwirken
zweier harmonischen Farben hat also denselben Effekt wie
die Verstärkung der Lichtquelle. Daraus dürfen wir unbedingt
folgern, dass die komplementären Farben, z. B. Roth und
Grünblau, sich zu verstärken, zu summiren vermögen,
während bei benachbarten Farben, z. B. Grün und Blau, das
Gegentheil der Fall ist. Bei allen nicht komplementären Farben¬
verbindungen findet nämlich eine wechselseitige Störung Statt,
indem jede Farbe die andere nach einer gewissen Richtung
hin abändert, inducirt, wie der Kunstausdruck lautet. So
nimmt Roth auf gelbgrünem Hintergründe einen violetten, auf
gelbem und orangenem Hintergründe einen bläulichen Schimmer
an, erscheint also abgeändert und der Komplementärfarbe des
Hintergrundes angenähert. Bemerkenswerth ist noch die That-
sache, dass die inducirende Wirkung um so auffallender hervor¬
tritt, je weniger gesättigt die Farben sind, also z. B. wenn
man die Farben durch Seidenpapier oder eine Tafel von
Milchglas hindurchschimmern lässt.
Die Deutung aller dieser Thatsachen zu einer einheit¬
lichen Farbentheorie ist von einem befriedigenden Abschlüsse
noch weit entfernt. Offenbar wohnt jeder Farbe eine gewisse
Tendenz inne, ihre Ergänzungsfarbe hervorzubringen, eine
Tendenz, die sich auch in den komplementären Nachbildern
zeigt. Es fragt sich, ob diese Tendenz eine lediglich subjektive,