Verhältniss des Gemeingefühls zur Sinnes - Empfindung.
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Reizes anzunelimen : Druck, Temperatur und chemische Be¬
schaffenheit. Eben diese drei Reizformen sind es, mit denen
wir es bisher hier im Gebiete der niederen Sinnes-Empfindungen
zu thun hatten. Geschmack und Geruch entsprechen dem
Chemismus, Druck- und Temperatur - Empfindungen sind der
Inhalt des Tast- Sinnes. Wie diese Reiz- und Empfindungs-
Formen mit einander Zusammenhängen und wie sie auf ein¬
ander zurückzufuhren seien , ist noch unbekannt und nur hin¬
sichtlich der Druck- und Temperatur-Empfindungen des Haut-
Sinnes haben wir uns auf Grund gewisser Thatsachen eine
Hypothese erlaubt, die es aber nicht unsre Absicht ist, hier
weiter zu verfolgen.
Das Verhältniss des Gemein-Gefühls zur Sinnes-Empfindung
zeigt sich nun hier gleichsam in statu nascendi: es ist das¬
jenige der Totalität zur Singularität. Alle Gemeingefühle
betreffen, wie schon ihr ganz richtig gebildeter Name besagt,
mehr oder weniger entschieden die Gesammtheit des Organis¬
mus, auch wo sie nur von einzelnen Angriffspunkten aus¬
zugehen scheinen, wie Hunger vom Magen, Athemgefühle von
den Lungen (richtiger wohl von dem betreffenden Centrum
im verlängerten Mark), erstreckt sich doch ihr Wirkungkreis —
noch abgesehen von der centralen Wichtigkeit jenes Angriffs¬
punktes -T- vermöge der allgemeinen Wirksamkeit der Säfte-Ent-
mischung — auf den ganzen Organismus. Weniger klar erscheint
dies bei jenen Lokal - Gefühlen, die nur durch ihre excessive
Stärke zu Gemein - Gefühlen werden. Indessen auch die rein
örtlichen Schmerzen (die in ihren geringeren Graden zumal
bei hoch entwickelter Seelenthätigkeit den Sinnesempfindungen
zugerechnet werden können) werden bei einigermassen er¬
heblichem Grade wegen des innigen Zusammenhanges aller
organischen Theile in der That zu einem Gesammtleiden des
ganzen Organismus, indem sie die scheinbar entlegensten
Theile desselben theils mittelbar (konsensuell), theils unmittelbar
durch Fieber und dergleichen in Mitleidenschaft ziehn.
Dieser Gegensatz von Totalität und Singularität ist uns bereits
früher an einer wichtigen Stelle aufgefallen (Thl. II. 1. S. 147 fi). Wir