Zur Einführung.
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mag die anfänglich oft sehr unexakte Art sie zu handhaben das
Mißtrauen der deutschen Psychologen gegen die pathologischen
Beobachtungsresultate erklären, aber wer wird eine Methode für
das mangelnde Geschick ihrer ersten Vertreter verantwortlich
machen? Neuere Arbeiten auf diesem Gebiete haben den Beweis
erbracht, daß die psychopathologische Behandlung psychologi¬
scher Probleme als eine zweite objektive Methode von
größter Fruchtbarkeit neben die experimentelle Psychologie zu
treten geeignet ist.
Wenn die bisher bezeichneten Richtungen in der Psychologie
sich auf psychologischem Gebiete selbst bewegen, so bildeten sich
teils durch die fortschreitende Entwicklung der philosophischen
Erkenntnistheorie, teils durch Anregungen, welche wiederum von
rein naturwissenschaftlicher Seite ausgingen, auch in der er¬
kenntnistheoretischen Frage nach der Natur des von der
Psychologie bearbeiteten Erfahrungsgebietes grundsätzlich
verschiedene Standpunkte aus, und die methodischen Gegen¬
sätze, die sich bis heute als Psychologie der inneren Wahrnehmung
und physiologische und experimentelle Psychologie, oder als er¬
klärende und beschreibende Psychologie gegenüberstehen, haben
ihre letzte Wurzel in erkenntnistheoretischen Meinungsverschieden¬
heiten über die von allen empirischen Wissenschaften behandelte
Erfahrung. Vielleicht ist es nicht zu viel behauptet, daß der letzte
Kampf der psychologischen Richtungen und Standpunkte auf dem
Boden der erkenntnistheoretischen Grundlegung der Psychologie
ausgefochten werden wird.
Daß nun bei so verschiedenartigem historischen Ursprung der
psychologischen Forschungszweige die Verständigung unter ihren
Vertretern eine schwierige ist, kann nicht wunderbar sein; schien
es doch manchmal — ganz besonders in den Geburtsjahren der
Psychophysik und physiologischen Psychologie — daß die ver¬
schiedenen psychologischen Richtungen kaum noch das Bewußtsein
hätten, an derselben Sache zu arbeiten, zu dem gleichen Ziele zu
streben! Die experimentelle Psychologie spielte daher eine Zeit¬
lang die Rolle einer disciplina militans, sie hatte sich schrittweis
ihren Boden zu erkämpfen, es galt innere und äußere Schwierig¬
keiten zu überwinden. Die innern lagen in der Notwendigkeit,
das von den Grenzwissenschaften der Psychologie vorbearbeitete
Material unter den rein psychologischen Gesichtspunkt zu bringen,
und die Methoden und Hilfsmittel, die anfangs mehr der Besonder¬
heit des psychophysischen Stoffes angepaßt waren, zu eignen
Forschungsmethoden und -mittein des Psychologen umzugestalten.
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