202 Theodor Lipps.
demnach auch von uns als solche bezeichnet werden müssen. Sie
müssen es in der Tat insbesondere dann, wenn wir den Gegensatz
zwischen sachlichen und numerischen Ganzen aufrechterhalten.
Innerhalb der sachlichen Ganzen aber müssen wir dann die
rein räumlichen bzw. zeitlichen und auch die rein qualitativen
Ganzen besonders nennen.
Ein rein räumliches Ganze aber kann dann offenbar nur
dasjenige heißen, das ausschließlich räumlich ist, d. h. das
nur den Raum zum Material hat, aus dem es gebildet ist, das
demgemäß keine anderen als nur räumliche Bestimmtheiten
besitzt. Solche rein räumliche Ganze tragen etwa die Namen
Meter oder Kilometer usw. Alle rein geometrischen Gebilde
überhaupt sind von dieser Art. Die Linie freilich, die ich mit
schwarzer Tinte auf einem weißen Papierhintergrund zeichne,
hat auch eine andere, nicht räumliche Bestimmtheit. Sie hat
schwarze Farbe. Aber dies ist eine physikalische und nicht
eine geometrische Linie. Und von der letzteren gilt in der
Tat, daß sie ausschließlich räumliche Bestimmtheiten hat.
Ebenso haben auch die rein zeitlichen Ganzen nur die
Zeit oder die Zeitelemente zum Material und demnach keine
anderen als zeitliche Bestimmtheiten. Sie tragen etwa die Namen
Woche und Jahr und Jahrhundert usw., nicht dieses Jahr, sondern
„das“ Jahr und ebenso in den übrigen Fällen.
Ein rein qualitatives Ganze endlich wäre im Gegensatz dazu
etwa das Kontinuum aller denkbaren qualitativ verschiedenen
Farben oder die stetige Tonreihe vom tiefsten zum höchsten.
Indessen alle diese „rein“räumlichen, „rein“zeitlichen und
schließlich auch die „rein“qualitativen Ganzen sind hier, wo wir auf
die Einfühlung abzielen, nicht ein Gegenstand unseres beson¬
deren Interesses. Sie sind insgesamt künstlich verselb¬
ständigte, d. h. durch einen besonderen Prozeß des Fassens
oder der Abstraktion herausgenommene Gegenstände, nicht
selbständige Gegenstände also, sondern Seiten an solchen oder
in ihnen steckend. Zu den räumlichen, zeitlichen, qualitativen
Bestimmtheiten der reinräumlichen, reinzeitlichen, reinqualitativen
Ganzen gehören immer auch anderweitige Bestimmtheiten not¬
wendig hinzu. Und sie gehören dazu notwendig hinzu in dem