Zur Einfühlung. IV. Die Auffassungstätigkeit.
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müsse. Nun, eben dies an sich mir unbekannte Geschehen und
sonst nichts meine ich, und ich betrachte es für sich, wenn
ich hier von der Auffassungstätigkeit spreche.
Aber auch dies ist sicher, daß dem Dasein dieses und dem
Dasein eines anderen Gegenstandes für mich ein verschiedenes
Geschehen zugrunde liegen muß.
Damit sind wir, wie man sieht, über unser Ausgangsbeispiel
hinausgegangen und haben auch andere Fälle der Einfühlung
wenigstens gestreift. Gehen wir nun in dieser Richtung noch
etwas weiter.
So sehr meine Auffassungstätigkeit in die Auffassung dieses
und jenes Gegenstandes auseinandergehen mag, so ist doch jede
solche Tätigkeit immer meine Tätigkeit. Es betätigt sich mit
anderen Worten in ihr der eine und selbe rätselhafte Punkt,
dessen Rätselhaftigkeit und doch einzig absolut gewisse Wirk¬
lichkeit auch durch die schönsten Benennungen nicht vermindert
wird. Und es betätigt sich darin nicht ein Stück von mir.
Denn solche Stücke gibt es nicht. Sondern es betätigt sich darin
immer das ganze Ich.
Und nun kann es geschehen, daß ich nicht nur diesen oder
einen anderen Gegenstand auffasse, oder nicht nur mich als da¬
hin oder dorthin gewendet erlebe, sondern daß ich zugleich mehr
oder minder im ganzen ein anderer bin und anders mich erlebe.
Solche allgemeine Bestimmtheiten meiner aber, oder solche
allgemeine Weisen, mich zu erleben, nennen wir psychische
Stimmungen oder Gesamtzuständlichkeiten, oder ich nenne sie
einen Rhythmus oder einen Wellenschlag des gesamten indivi¬
duellen seelischen oder Bewußtseinslebens.
Und eine Tendenz nun, eine solche Gesamtzuständlichkeit zu
erzeugen oder in eine solche sich auszubreiten, eine Tendenz so¬
zusagen, nach dem eigenen Rhythmus die Gesamtseele zu rhythmi¬
sieren, sich selbst in eine allgemeine seelische Resonnanz zu hüllen
oder mit einer allgemeinseelischen Atmosphäre zu umkleiden,
liegt in jeder Auffassungstätigkeit. Mir scheint in der Tat, daß
eine solche Tendenz jeder Tätigkeit der Auffassung eines be-