Volltext: Zur Einfühlung

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Theodor Lipps. 
und schließlich Mutlosen bezeichnend, daß bei ihm die Hem¬ 
mung- sofort in die Tätigkeit, und zwar natürlich als vermin¬ 
dernder Faktor hineingenommen wird. Diese Hineinnahme 
geschieht aber, indem nicht nur die Hemmung oder das Hinder¬ 
nis ins Auge gefaßt oder gedacht wird, sondern indem die 
Hemmung oder das Hindernis in der Tätigkeit zur Wirkung 
gelangt. Die Wirkung aber ist dann nicht gedacht, sondern 
ein erlebter, und zwar in der Tätigkeit selbst erlebter Zustand. 
In jedem Falle ist der bezeichnete Gegensatz für das Wollen 
oder die Tätigkeit sehr bedeutsam und wohl zu beachten. 
Eben dieser Gegensatz besteht nun auch rücksichtlich der 
Tätigkeit oder des Strebens, das wir in tote Objekte, z. B. in 
Linien einfühlen. Die Linien etwa, die wir oben bezeichneten 
und A bis E nannten, sind Träger eines Strebens oder einer 
Tendenz, die nicht eine Tendenz ist in der Linie F, die auf E 
folgt und mit ihr gleich lang ist, aber doch auf sie wirkt, näm¬ 
lich in unserm Bewußtsein. Und dieser, ihrem Ursprung nach 
ihr fremden Tendenz, nämlich der Tendenz des F, größer zu sein 
als es ist, scheint nun die Linie F sich zu widersetzen und sie 
durch ihre tatsächliche Größenausdehnung zu überwinden. Da¬ 
her die Schätzung der Linie F als einer begrenzteren. 
Dagegen sind die Linien, die rechts und links die Figur be¬ 
grenzen, die ich oben als Wulst oder Einziehung bezeichnete, 
überall dieselben einheitlichen Linien. Wenn also an einer 
Stelle der Linien eine Tätigkeit der Verengerung stattfindet, und 
demnach an dieser Stelle eine Tendenz der Verengerung sich 
verwirklicht, so ist diese Tendenz der Verengerung auch an 
jeder nachfolgenden Stelle derselben einheitlichen Linien; und 
findet nun an einer nachfolgenden Stelle eine Erweiterung statt, 
so ist sie in der Erweiterung als Minderung der Stärke der er¬ 
weiternden Tätigkeit. 
Um nun endlich auch noch die vertikal sich aufrichtende 
Linie zu erwähnen und an ihren Vergleich mit der vollkommen 
gleichen, insbesondere auch hinsichtlich ihrer Länge gleichen, 
horizontal verlaufenden Linie zu erinnern : Jene Tätigkeit des 
Sichaufrichtens leistet auch negative Arbeit, insofern sie die 
Schwere überwindet, während die horizontal sich erstreckende
	        
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