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Theodor Lipps.
Mit Rücksicht auf alle die folgenden Skizzen bemerke ich
noch, daß die „Einfühlung in die sinnliche Erscheinung des
Menschen“, diejenige also, die ich sonst als eine für uns be¬
sonders bedeutsame Art der Einfühlung speziell herauszuheben
pflege, im folgenden vorerst wenigstens nicht besonders in Frage
kommt.
Und noch eine Vorbemerkung. Man erwarte im folgenden
keinerlei Bezugnahme auf den in Innsbruck gehaltenen gleich¬
namigen Vortrag’, noch auf seine Veröffentlichung in dem Bericht
des Innsbrucker Kongresses. Diesen von anderer Seite ge¬
haltenen Vortrag* kenne ich und ich schätze ihn. Aber schon
vorher waren einige dieser Aufsätze geschrieben. Und die sollen
bleiben wie sie waren. Vielleicht gibt sich ein andermal Ge-
legenheit, auf den genannten Vortrag zurückzukommen. Übrigens
sind es zum großen Teile andere Weg*e, die ich einschlage.
Zweifellos ist Einfühlung ganz allgemein gesagt dies, daß
etwas von mir oder ein in Wahrheit mir und nur mir zu¬
gehöriges Element, also etwas Subjektives, für mich in dem
vom Subjekt aufgefaßten oder ihm geistig g’egenüberstehenden
Gegenstand liegt, nicht in dem Gegenstand also, so wie er an
sieh ist, oder in dem reinen Gegenstand, sondern in dem
Gegenstand für mich oder dem Gegenstand, wie er für das
auffassende Subjekt da ist oder ihm „erscheint“.
Indessen diese Bestimmung wäre doch zu allgemein. Von
mancherlei Gesichtspunkten aus kann ja die umfassende Tat¬
sache, die in Wahrheit durch diese Bestimmung bezeichnet ist,,
betrachtet werden. Mancherlei Interessen können ihr gegen¬
über zur Geltung kommen.
Da ist einmal der sinnesphysiologische Gesichtspunkt.
Nicht das Objekt, so wie es in sich selbst ist, sondern nur seine
Erscheinung’sweise kennen wir.
Neben das sinnesphysiologische Interesse aber stelle ich jetzt
das zu ihm im äußersten Gegensätze stehende assoziativ¬
psychologische Interesse. Kein Gegenstand, also auch kein
Objekt, ist, was es in sich selbst ist, auch im Zusammenhang
des seelischen Lebens, in diesem psychischen Milieu. Man weiß,
daß ich nicht etwa der Erste bin, der auf diese Tatsache hin-