Volltext: Zur Einfühlung

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Theodor Lipps. 
Doch ist nun eben hier der Punkt, wo wir zurückkehren 
müssen zu dem schon im vorigen Aufsatz Gesagten : Wir be¬ 
ziehen uns in mannigfacher Weise auf die Gegenstände. Und 
damit geben wir ihnen diese oder jene Bestimmtheiten. 
Aber diese Beziehung zwischen den Gegenständen und mir 
hat auch ihre Kehrseite oder, wie ich meinte, ihre Gegen¬ 
standsseite. Fürchtete ich nicht, auch hier damit Unklarheit zu 
schaffen, so würde ich sagen, ihre „objektive“ Seite. Jeder 
Gegenstand, auch derjenige, den ich „schaffe“, ist der, der er 
ist und macht sein eigenes Recht mir g*egenüber geltend. 
Er fordert als der anerkannt zu werden, der er ist. Gewiß ist 
es so, wie ich meinte : Ich kann so oder so zu Gegenständen 
mich verhalten, ich kann trennen und verbinden, ich kann zu¬ 
sammennehmen und zerteilen, urteilen, schließen, ich kann auch 
vergleichen und werten und Zwecke setzen, und ich kann es 
ebensowohl unterlassen. Ich kann alles dies tun, wie eben meine 
Natur mich treibt. Dann bin ich der Bestimmende oder meine 
Willkür, meine Laune, meine Gewohnheit, meine Vorliebe usw, 
ist das Bestimmende. Aber mit allem dem kann ich es nicht hindern, 
daß auch die Gegenstände ihr Wort mitreden. Ich will, 
aber die Gegenstände sagen mir, was ich soll oder muß, was 
in ihnen als diesen Gegenständen „liegt“. 
Ich denke etwa oder vergegenwärtige mir geistig eine Linie, 
die ich vorhin g*esehen habe und von der ich auf Grund meines 
Sehens weiß, daß sie eine gerade ist. Dies hindert mich gewiß 
nicht, in meinen Gedanken ihr irgendwelche, etwa eine g'ekrümmte 
oder geschweifte Form zu geben. Vielleicht würde mir eine solche 
Form der Linie mehr Zusagen. Und indem ich mir dessen bewußt 
werde, gebe ich tatsächlich in meinem Gedanken der Linie diese 
geschweifte oder gekrümmte Form. Zugleich doch habe ich dabei 
das Bewußtsein, daß ich auf meine Verantwortung der Linie 
diese Form gebe. Ich habe das Bewußtsein, die Linie selbst, 
die ich sah, erfordert oder fordert einen anderen Denkakt, 
sie erfordert oder fordert als geradlinig gedacht zu werden. 
Ich habe das Bewußtsein, der Linie, so wie ich sie sah, werde 
ich nur gerecht, indem ich sie als eine geradlinige denke. Ich 
kann sie freilich so oder so geformt denken oder ihr in meinen
	        
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