Zur Einfühlung. XL Die empirischen Täuschungen des Augenmaßes. 3 61
Und nun wende ich meine Augen so, daß eine bestimmte
Konvergenzempfindurig in mir entsteht. Ich wende sie so, daß
die Richtungslinien beider Augen in einem Punkte sich schneiden,
der von meinen Augen, oder genauer von meiner Nasenspitze
aus gerechnet, in einer bestimmten Tiefe sich befindet. Von
dieser Wendung der Augen habe ich ein Bewußtsein, aber ich
sehe nicht die Richtung jener Richtungslinie, wie ich ja auch
diese Richtungslinie selbst nicht sehe. Und demgemäß sehe ich
auch nicht den Punkt, in welchem die beiden Richtungslinien
der beiden Augen sich schneiden. Ich habe nur die bestimmte
Konvergenzempfindung. Diese aber habe ich unmittelbar, indem
ich meine Augen in der bezeichneten Weise wende, und sie
gibt mir erst das Bewußtsein der bestimmten Lage des gesehenen
Objektes, das Bewußtsein einer weiteren Entfernung vom Auge
oder einer geringeren Entfernung, je nach der Beschaffenheit
der empfundenen Konvergenz. Dabei ist aber das Bewußtsein
der Konvergenz, und damit der Entfernung des gesehenen
Gegenstandes vom Auge in dem Gesichtsbild derart unmittelbar
mitgegeben, daß ich nun den Eindruck habe, eben jene Ent¬
fernung vom Auge mitzusehen.
Je größer aber die Entfernung ist, um so größer scheint mir
das gesehene Objekt oder um so beträchtlicher ist meinem Ein¬
druck zufolge die gesehene Größe des Objektes.
Das angeführte Beispiel ist zugleich ein Fall der Täuschungen
des Augenmaßes in dem engeren Sinne dieses Wortes. Ich
habe den Eindruck, als ob ich das Sonnenbildchen in einer be¬
stimmten Entfernung vom Auge sehe, und als ob ich es in
wechselnder Größe sehe, während ich doch Entfernungen vom
Auge überhaupt nicht sehe, und das von mir Gesehene als
solches immer dieselbe Größe hat.
Dabei beachte man wohl den Sinn meiner Worte. Auf der
einen Seite steht der Eindruck, als ob ich eine Größe sehe, dem
steht gegenüber dies, daß ich sie tatsächlich sehe, also daß die
Größe tatsächlich in meinem Gesichtsbild vorkommt. Ein solcher
Eindruck des Sehens braucht in der Tat mit dem Sehen nicht
übereinzustimmen, und daß dies der Fall ist, das macht in diesem
Fall die „Täuschung“ des Augenmaßes aus.