Zur Einfühlung. VI. Einfühlung und Urteil.
247
Begriff der gegenständlichen Bedingtheit vollen Ernst machen
und alles in Rechnung ziehen, was dieser Begriff in sich schließt,
die Begriffe der gegenständlichen Bedingtheit von Bestimmtheiten
meiner einerseits und der Einfühlung anderseits gleichbedeutend.
Noch in anderer Weise aber als der jetzt besprochenen scheine
ich durch Obiges in Widerspruch mit mir selbst getreten zu
sein. Eine Landschaft, so meinte ich zuerst, könne für mich
heiter sein, auch wenn ich selbst es nicht bin. Und dann sagte
ich, für uns wenigstens habe die Aussage, die Landschaft sei
heiter, den Sinn, daß derjenige, der sie tue, zu verstehen geben
wolle, er stelle die Landschaft vor und fühle dabei oder erlebe
in sich die Gemütsverfassung der Heiterkeit, die ihm aber als
eine Bestimmtheit der Landschaft erscheine. Und meine Absicht
war nun darauf gerichtet, die Frage zu beantworten, wie denn
eine Bestimmtheit meiner, die ich in mir erlebe, für mich eine
Bestimmtheit eines beliebigen mir gegenüberstehenden Gegen¬
standes sein könne.
Aber hier müssen wir eben unterscheiden zwischen den beiden
Möglichkeiten: Daß eine Gemütsverfassung wie die Heiterkeit
in mir sei und daß ich heiter sei.
Nur von solchen Gemütsverfassungen überhaupt ist hier die
Rede, in denen bzw. in deren Eigenart eine Auffassungs¬
tätigkeit sich auswirkt. Immer aber fragt es sich dabei, wie
weit die Auffassungstätigkeit sich auswirken kann. Und nur, wenn
die Art einer Auffassungstätigkeit, sich auszuwirken, mein ganzes
Wesen erfüllt oder, wie ich ehemals mich ausdrückte, die
Tendenz in einer allgemeinen Stimmung sich zu erweitern, zur
Herrschaft kommt, sagen wir, daß wir heiter seien oder ge¬
drückten Wesens oder ernst oder, daß wir sonst etwas der¬
gleichen seien. Kurz, die Stimmung, von der wir sagen, daß
wir in ihr uns befinden, ist jederzeit die Gesamtstimmung.
Aber neben der einen Auffassungstätigkeit fehlen nie ganz
die anderen, in denen eine gleichartige Tendenz ist und die die
von jener ausgehende Stimmung abzulenken oder aufzuheben
drohen. Und auch Nachwirkungen vergangener und im Be¬
wußtsein nicht mehr lebendiger Erfahrungen können die Grund¬
richtung einer Stimmung bedingen.