Theodor Lipps.
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für mich die Heiterkeit eine Bestimmtheit der Landschaft sein
soll. Daß sie aber für mein Bewußtsein besteht, dies besagt
hier, daß ich sie erlebe.
Einen möglichen Sinn der Aussage, daß die Landschaft heiter
sei, möchte ich an dieser Stelle mit besonderem Nachdruck aus¬
schließen und habe ich wohl schon ausgeschlossen. Und ich
bitte sehr, daß diejenigen, die mehr oder minder nachdrücklich
den Satz aussprechen, daß eine heitere Landschaft heiter sei,
auch wenn niemand die Heiterkeit in sich erlebe, sich zu fragen,
ob sie etwa ihre Rede in diesem Sinne meinen.
Vielleicht will jemand, indem er die Aussage tut, damit lediglich
zu erkennen geben, er erinnere sich, daß er selbst, oder er
wisse, daß ein Anderer, der eine so beschaffene Landschaft sich
vergegenwärtigte, die Heiterkeit in sich erlebte, und sie erlebte
als von der Vorstellung der Landschaft, sofern sie auf einen
solchen Gegenstand ziele, ausgehend. Hier ist, wie man sieht,
nicht mehr die Rede von einer wirklichen Landschaft, sondern
von einer beliebig „für mich44 vorhandenen. Und es ist nicht
mehr die Rede von einer Heiterkeit, die jener „dritten Art der
Wahrnehmung44 entstammte, sondern von der uns allen bekannten
Gemütsverfassung, Heiterkeit genannt.
Aber auch speziell in diesem Sinne nehmen wir hier die Aus¬
sage, die Landschaft sei heiter, nicht. Indem ich diese Aussage
tue, will ich, so nehme ich an, nicht von meinem Wissen Kennt¬
nis geben, daß für diesen oder jenen die Landschaft den Ein¬
druck der Heiterkeit machte, sondern ich will zu verstehen
geben, daß ich selbst jetzt diesen Eindruck habe. Ich will zu
verstehen geben, daß ich selbst, indem ich eine so beschaffene
Landschaft vorstelle, Heiterkeit verspüre, fühle, erlebe, in mir
finde, daß sie für mich diese Art der inneren Lebendigkeit
besitzt, kurz, daß sie für mich diese Bestimmtheit hat.
Indem ich aber so den besonderen Sinn der Aussage, diese
bestimmte Landschaft sei heiter, festzustellen, und ihm den Sinn
des Satzes, diese Kirsche sei süß, gegenüberzustellen mich be¬
mühe, dürfen wir doch das Gemeinsame beider Aussagen nicht
übersehen. Und dieses ist das oben Gesagte. Es besteht
darin, daß für uns, auch unter Voraussetzung unserer Fest->