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Die Apperzeption.
Assimilation. Relativitätsgesetz.
Jede Vereinheitlichung von Erlebnissen oder psychischen Vor¬
gängen ist aber zugleich eine Assimilation und gehorcht dem Gesetz
derselben: Teile eines Ganzen verlieren im Ganzen nach
Maßgabe der Innigkeit der Einheitsbeziehungen und des
Umfanges des Ganzen ihre Selbständigkeit. Oder: Sie
verlieren sich ineinander und im Ganzen.
Diese Assimilation hat wiederum zwei Seiten, eine qualitative
und eine quantitative. Jedes komplexe Ganze, so sahen wir
vorhin, ist gegenüber den Teilen ein Neues, d. h. ein quali¬
tativ Anderes, mit neuen psychischen Wirkungen. Der Drei¬
klang etwa übt eine Wirkung, z. B. eine Gefühlswirkung, die
nicht die Wirkung des einen Klanges ist, vermehrt um die Wir¬
kung des zweiten, und weiter vermehrt um die Wirkung des
dritten Klanges, sondern eben die eigenartig neue Wirkung des
Ganzen.
Und in dieser Wirkung des Ganzen nun und zugunsten der¬
selben verschwinden die Wirkungen, welche die einzelnen Teile für
sich üben würden, oder gehen darin auf, in dem Maß als die
Einheitlichkeit des Ganzen eine innige ist, zugleich nach Maßgabe
des Umfanges des Ganzen. Ist die Einheitlichkeit eine minder innige,
so gewinnt die Wirkung der Teile innerhalb der Wirkung des
Ganzen selbständigere Bedeutung. So wirken etwa in der Melodie
die einzelnen Elemente in höherem Grade für sich, als im Zusammen¬
klang. Es üben vor allem die Gruppen musikalisch zusammen¬
gehöriger Töne der Melodie eine relativ selbständige Wirkung.
Auch diese Wirkung ist doch eingeordnet und untergeordnet der
einheitlichen Wirkung des Ganzen.
Neben dieser qualitativen Seite der Assimilation steht aber die
quantitative. Hier gilt das »Gesetz der Quantität in psy¬
chischen Gesamtvorgängen « : Die Teile eines Ganzen verlieren
sich quantitativ, d. h. sie erleiden Einbuße an der Größe ihrer
eigenen Fähigkeit, auf mich und in mir zu wirken, an ihrer Ein¬
drucksfähigkeit, kurz ihrer psychischen Quantität oder Größe; wie¬
derum nach Maßgabe der Innigkeit der Einheitsbeziehungen und
nach Maßgabe des Umfanges des Ganzen. Damit mindert sich