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Die Gefühle.
das in den verschiedenen Farben in entgegengesetzter Weise sich
ausgestaltet.
Dies Lustgesetz der »differenzierten Einheitlichkeit« muß nun
aber von den Formgeflihlen übertragen werden auf die Elementar¬
gefühle. Einen unmittelbaren Hinweis auf diese Übertragung schlie¬
ßen die wohlgefälligen Klänge in sich. Diese entstehen, wie wir
sahen, indem mehrere Töne, d. h. mehrere Tonempfindungsvorgänge,
die einen gemeinsamen Grundrhythmus, nämlich den Rhythmus des
Grundtones, in sich tragen, und einfachste, also klarste Differenzierungen
desselben darstellen, miteinander verschmelzen, d. h. zu einem Ge¬
samtvorgang innigster Art sich vereinigen, derart daß sie einen
einzigen neuen Bewußtseinsinhalt, den Klang, ins Dasein rufen.
Dieser Bewußtseinsinhalt ist als solcher, d. h. für das Bewußtsein,
einfach, so gut wie der einfache Ton. Der Vorgang aber, der diesem
einfachen Bewußtseinsinhalte zugrunde liegt, ist ein solcher, der
dem Gesetz der differenzierten Einheitlichkeit entspricht. S. S. 80 f.
Ein solcher Vorgang ist aber nach unserer Auffassung auch schon
der einfache Tonempfindungsvorgang. Er differenziert sich in Ton¬
empfindungselemente, die durch Gleichheit und gleiche Art der
Folge vereinheitlicht sind.
Und in analoger Weise müssen wir nun jede einfache Empfin¬
dung, die von einem Lustgefühl begleitet ist, denken als einen Vor¬
gang, in welchem ein einheitlicher Rhythmus der seelischen Er¬
regung mehr oder minder reich differenziert ist.
Unser obiges Gesetz der Lust bedarf aber noch einer Ergänzung.
Es entspricht der Natur der Seele nicht nur die Vereinheitlichung
eines Mannigfaltigen im Sinne des Zusammenschlusses zu einem
Ganzen, sondern auch weiterhin die monarchische Unterordnung eines
Ganzen unter Teile oder Elemente desselben. Dies Gesetz der
monarchischen Unterordnung ist im Vergleich mit dem Gesetze der
differenzierten Einheitlichkeit ein sekundäres. Und es scheiden sich
Gattungen von lustvollen Objekten darnach, ob die Teile in dem ein¬
heitlichen Ganzen einander koordiniert sind, also nur ein Gemein¬
sames in den Objekten »herrscht«, oder ob in ihnen zugleich eine
solche Unterordnung oder Befassung des Mannigfaltigen unter herr¬
schende Einheitspunkte stattfindet. Man vergleiche etwa den antiken
Tempelbau, in welchem die Unterordnung unter das gemeinsame