Gesetz des Lustgefühls.
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entgegenkommt, d. h. wenn angesichts des Gegenstandes, ohne Reibung
oder Widerspruch, Beides, die vereinheitlichende Apperzeption und
die Besonderung, sich vollziehen kann in einem und demselben Akt.
Dies aber ist, wie wir wisssen, der Fall in dem Maße, als in dem
Mannigfaltigen des Gegenstandes ein alle Teile umfassendes und in
sich hegendes Gemeinsames sich heraussondert, und eben dies
Gemeinsame in den Teilen des Gegenstandes in klarer, also die
Gefahr oder die Tendenz des Ineinanderfließens ausschließender
Weise sich differenziert. Vgl. S. 96 f.
Dies »Gemeinsame« wurde schon früher näher bestimmt als ein
gemeinsamer Rhythmus des psychischen Geschehens im engeren
oder weiteren Sinn, eine gemeinsame Grundform, ein gemeinsames
Bildungsgesetz, ein gemeinsamer Grundcharakter. Es kann sich auch
darstellen als ein gemeinsamer Grundgedanke, etwa einer Dichtung
oder Rede; als ein identisches, alles Einzelne beherrschendes Wollen
im Drama; als ein gemeinsames, mannigfache Erkenntnisse in sich
schließendes Tatsachengesetz usw. Die Teile des Ganzen stellen
sich je nachdem dar als divergierende Ausgestaltungen eines solchen
Grundrhythmus, einer solchen Grundform, eines gemeinsamen Bildungs¬
gesetzes, eines Grundgedankens usw.
Ein typischer Fall dieses Gesetzes der Lust ist das Gefühl der Lust
angesichts des Zusammenklanges oder der Folge konsonanter Töne.
Diese sind, so sahen wir, Differenzierungen eines gemeinsamen
»Grundrhythmus« im eigentlichen und engsten Sinn. Ein weniger
einfaches, aber vielleicht unmittelbarer einleuchtendes Beispiel für
dieses Grundgesetz der Lust bietet der Rhythmus im Großen, d. h.
die rhythmische Folge — nicht von Elementen einer Empfindung,
sondern von Empfindungen. Auch dieser Rhythmus gefällt, wenn
in ihm ein gemeinsamer Grundrhythmus im einzelnen in unmittel¬
bar eindrucksvoller Weise differenziert erscheint.
Aus gleichem Grunde gefällt die regelmäßige geometrische Figur,
oder das Bauwerk, in welchem ein gemeinsamer architektonischer
Rhythmus, oder ein durchgehendes Formgesetz, im einzelnen in
verschiedener und gegensätzlicher Weise sich ausgestaltet.
Von einem gleichartigen Gesichtspunkt aus verstehen wir auch
die harmonische Farbenzusammenstellung. Auch hier muß überall
ein Gemeinsames der Farbenempfindungsvorgänge statuiert werden,