Gesetz des Lustgefühls.
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Die hiermit gegebene Grundeinteilung der Gefühle erfordert
noch folgenden Zusatz: Verhält sich ein Vorgang irgendwie zu
anderen, mit denen er zusammentrifft, so verhält sich dies Zusammen¬
treffen jederzeit zugleich in bestimmter Weise zur allgemeinen Natur
der Seele. So gehören also in gewisser Weise die Gefühle der
zweiten und der dritten Klasse der Affektgefühle zugleich in die
erste, d. h. sie sind zugleich Lust- bzw. Unlust- und Größengefühle.
Dies hindert doch nicht die Eigenart jener beiden Klassen.
Ebenso besteht auch bei den Strebungs- und Bewegungsgefiihlen
jedesmal die Frage zu Recht, wie die Strebungen und die Bewegungen
sich zur allgemeinen Natur der Seele verhalten. Auch diese Gefühle
sind also zugleich Lust- bzw. Unlust- und Größengefühle.
Gesetz des Lustgefühls.T)
Fragen wir nun zunächst allgemein nach den Bedingungen der
Lust und Unlust. Die allgemeine Regel lautet: Lust begleitet einen
psychischen Vorgang in dem Maße, als in der Kraftaneignung oder
dem Wirksamwerden desselben, und schließlich in der Apperzeption
des in dem Vorgänge gedachten Gegenstandes, die Natur der Seele
zu ihrem Rechte, oder zur positiven Geltung kommt; oder in dem
Maße, als das Zurgeltungkommen des psychischen Vorganges im
psychischen Lebenszusammenhang, oder die ihm zuteil werdende
»Aufmerksamkeit«, den in der Natur der Seele liegenden Bedingungen
der Aufnahme eines solchen Vorganges in den psychischen Lebens¬
zusammenhang, oder den darin liegenden Bedingungen der Hinwen¬
dung der Aufmerksamkeit auf psychische Vorgänge, und schließlich
der Apperzeption von Gegenständen, gemäß ist.
Dies ist nun aber der Fall einerseits in dem Maße, als der Seele
zur Aufnahme der Vorgänge oder zur Zuwendung der Aufmerksam¬
keit durch einen Vorgang Gelegenheit geboten wird, zum andern
in dem Maße, als in ihrer eigenen Natur zu solcher Apperzeption
eine Bereitschaft liegt oder günstige Bedingungen gegeben sind.
D. h. die Hohe der Lust unterliegt einer doppelten Bedingung. Die
x) Für die weitere Ausführung des Folgenden, bis zum Ende des fünften Ab¬
schnittes, vgl. meine »Ästhetik«, Hamburg und Leipzig 1903, Bd. I.
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